Der Bundesgerichtshof hatte zu entscheiden, ob eine Einzelhandelskette durch eine Werbung für Karnevalskostüme der literarischen Figur Pippi Langstrumpf die urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Astrid Lindgren Erben verletzt hat.
Eine große Einzelhandelskette verwendete zur Bewerbung von Karnevalskostümen in ihren Verkaufsprospekten deutschlandweit die Fotografien eines jungen Mädchens und einer jungen Frau, die als Pippi Langstrumpf verkleidet waren. Sowohl das Mädchen als auch die junge Frau trugen eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit einem roten und grünen Ringelmuster. Neben den Bildern der verkleideten Damen waren in der Werbung auch Bilder der beworbenen Pippi Langstrumpf Kostüme abgebildet, von denen die Einzelhandelskette insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte. Den Namen „Pippi Langstrumpf“ verwendete die Handelskette dabei nicht.
Die Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte am künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren mahnte die Einzelhandelskette ab und verlangte Unterlassung und Schadensersatz, da die Kette nach ihrer Auffassung durch die Veröffentlichung der Bilder die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur „Pippi Langstrumpf“ verletzt habe. Als Ausgleich für die Verletzung forderte Sie einen Schadensersatz in der Form einer Lizenzgebühr in der Höhe von EUR 50.000,00.
Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Köln verurteilte den Einzelhändler zur Zahlung dieser Lizenzgebühr an die Nutzungsrechtsinhaberin. Die Vordergerichte waren der Meinung, dass es sich bei der Werbung für Pippi Langstrumpfkostüme um eine sog. unfreie Bearbeitung des literarischen Figur Astrid Lindgrens handele, für welche der Einzelhändler eine Genehmigung der Rechteinhaberin benötigt hätte.
Entscheidung des Gerichts
Mit Urteil vom 17. Juli 2013 – Az. I ZR 52/12 – hob der BGH die vorangegangen Urteile auf.
Die von Astrid Lindgren geschaffene Figur der „Pippi Langstrumpf“ genieße als literarische Figur Urheberrechtsschutz, da die Autorin ihrer Hauptfigur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verliehen habe.
Allerdings fehle es vorliegend an einer Verletzung des Urheberrechts. Der Schutz einer literarischen Figur als Sprachwerk komme nur in Betracht, wenn die urheberrechtlich geschützte Figur durch eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen beschrieben werde. Das Urheberrecht an einer solchen Figur werde dabei nicht schon dadurch verletzt, dass lediglich wenige äußere Merkmale wie vorliegend der Kleidungsstiel der literarischen Figur übernommen wurden. Diese Elemente mögen zwar ausreichen, um Assoziationen an Pippi Langstrumpf zu wecken und um zu erkennen, dass es sich um ein Pippi-Langstrumpf-Kostüm handeln soll. Sie genügten aber nicht, um eine Verletzung des Urheberrechts an der Figur der Pippi Langstrumpf zu begründen.
Fazit
Eine literarische Figur genießt erst durch die Kombination von Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen Urheberschutz. Allein der Vertrieb von Verkleidungen einer aus Büchern bekannten Figur stellt dabei nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes keine Urheberrechtsverletzung dar.
Im Ergebnis scheint es nun jedermann erlaubt zu sein Karnevalskostüme literarischer oder auch aus Filmen bekannter Figuren herzustellen und zu verkaufen, solange der Name der Figur nicht verwendet wird. Dieser genießt als Titel oder Kennzeichen markenrechtlichen Schutz.
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