BVerfG:

Kampf ums Recht vs. Richterbeleidigung

Die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungsfreiheit ermöglicht die eigene Meinung auch in Form von Kritik äußern und verbreiten zu können ohne mit Verfolgung und Strafe rechnen zu müssen. Doch erlaubt sie auch, einer Richterin vorzuwerfen zu lügen, ihr Urteil als schlampig und arglistig zu bezeichnen, ihr Auftreten als das „schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten“, sowie zu fordern, die angegriffene Richterin müsse „effizient bestraft werden um zu verhindern, dass diese Richterin nicht auf eine schiefe Bahn gerät“?

Mit dieser Frage hatte sich das Bundesverfassungsgericht zu befassen. Ausgangspunkt war die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen eine Richterin, nachdem dieser zuvor in einem zivilrechtlichen Verfahren unterlegen war.

Gonzalo Aragon/Shutterstock.com
Gonzalo Aragon/Shutterstock.com

Diese Dienstaufsichtsbehörde enthielt unter anderem folgenden Wortlaut:

„Bis hierhin kann man das Urteil als absichtlich oder unabsichtlich schlampig und arglistig ansehen.
Den Kern der richterlichen Tätigkeit verlassend protestiere ich folgend gegen das schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten der Richterin … und meine, sie müsse effizient bestraft werden um zu verhindern, dass diese Richterin nicht auf eine schiefe Bahn gerät.“ (…)
„Sie begab sich an ihren Platz und fabulierte durcheinander“ (…)
„(…) ist nicht nur gelogen, sondern im Hinblick darauf, dass diese perfide Lüge benutzt wird, mich den Prozess verlieren zu lassen, niederträchtig und gegen das Recht.“ (…)

Das Landgericht Duisburg hatte den Beschwerdeführer daraufhin in einem Strafverfahren wegen Beleidigung verurteilt, das Oberlandesgericht Düsseldorf seine Berufung zurückgewiesen. Hierdurch sah sich der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt und erhob daher vor dem BVerfG Verfassungsbeschwerde.

Entscheidung des Gerichts

Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss des BVerfG vom 28.07.2014, Az.: 1 BvR 482/13) gab dem Beschwerdeführer Recht und sah ihn durch die Verurteilung wegen Beleidigung in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt. Entgegen der Ansicht der vorinstanzlichen Gerichte könne auch die Forderung nach angemessener Bestrafung nicht als eine strafrechtlich relevante Schmähkritik angesehen werden. Eine überzogene und ausfällige Kritik genüge für sich genommen nicht. Erforderlich sei vielmehr zusätzlich, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stehe, sondern die Herabsetzung der Person.

Zumindest dann, wenn die Äußerung im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde falle, eine Überprüfung durch eine höhere Stelle bezwecke und eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage habe, sei dies aber nicht  der Fall.

Bei mehrdeutigen Äußerungen wie derjenigen, der Beschwerdeführer „(…) meine, sie müsse effizient bestraft werden um zu verhindern, dass diese Richterin nicht auf eine schiefe Bahn gerät“ könne dabei nicht einfach von der schwerwiegendsten Auslegung, hier dass der Richterin die zukünftige Begehung von Straftaten unterstellt werde, ausgegangen werden, sondern es sei erforderlich, dass das Gericht zuvor andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen abgeleht habe.

Insbesondere dann, wenn wie im vorliegenden Fall zusätzlich der Empfängerkreis bewusst eingegrenzt werde, handele es sich aber bei den getätigten Äußerungen noch um einen zulässigen „Kampf ums Recht“, so dass die Äußerung im Rahmen der erforderlichen Abwägung noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.

Fazit

Auch eine überzogene und ausfallende Kritik muss nicht zwangsläufig zur Erfüllung des Beleidigungstatbestandes führen. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn die Äußerungen in Zusammenhang mit der Geltendmachung eigener Rechtspositionen stehen.

 

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