Der Anspruch auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, der Ersatz von Rechtsanwaltskosten sowie der Ersatz eines entstandenen Schadens ist bei berechtigten Abmahnungen wegen Wettbewerbsverstößen und/ oder der Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke grundsätzlich berechtigt. Das Oberlandesgericht Hamm hatte aber die Frage zu entscheiden, inwieweit tatsächliche Rechtsverstöße, welche lediglich zur Gewinnerzielung abgemahnt wurden, rechtsmissbräuchlich sind. Die Folge einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung wäre, dass vom Verletzer weder eine strafbewehrte Unterlassung abgegeben werden muss, noch Kostenerstattung und Schadensersatz zu leisten sind.
Die Firmen A und B verkaufen über ihre Onlineshops im Internet Gebrauchtwagen. Die verklagte Firma B bot im März 2008 über ihre Internetplattform einen Landrover Discovery und einen Mercedes E 300 D Automatik ausschließlich gewerblichen Kunden zum Kauf an. Für Verbraucher sollte das Angebot ausdrücklich nicht gelten. In den Angeboten wurde keine Email-Adresse zur elektronischen Kontaktaufnahme genannt. Außerdem wurde im Rahmen der Belehrung über das Widerrufsrecht für nicht gewerbliche Käufer auf eine Widerrufsfrist von zwei Wochen hingewiesen, so dass der Eindruck erweckt wurde, das Angebot gelte auch für Verbraucher.
Der Firma A ließ die Firma B durch Anwaltsschreiben wegen der unzutreffenden Angabe der Widerrufsfrist und des wegen der fehlenden Emailadresse unvollständigen Impressums abmahnen.
In der Folge änderte die Firma B die beanstandete Angabe zur Widerrufsfrist und ergänzte diese Information in ihrem Impressum. Die Abgabe einer Unterlassungserklärung lehnte sie aber ebenso ab wie eine Kostenerstattung. Sie berief sich schon in diesem Zusammenhang auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Wettbewerbers, welcher seiner Meinung nach mit der Abmahnung lediglich Geld verdienen wollte. Das ergäbe sich aus der räumlichen Distanz der beiden Firmen und dem in einem Zeugenbeweis dargelegten Tatsache, dass der Rechtsvertreter der Firma A berechtigt war, selbst Verstöße für seinen Mandanten aufzuspüren und diese dann auch selbstständig abzumahnen.
Entscheidung des Gerichts
In seinem Urteil vom 12.11.2009 – Az. 4 U 93/09 hielt das OLG Hamm die Abmahnung für rechtsmissbräuchlich.
Von einem Missbrauch ist nach dem OLG auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele waren. Als typischen Beispielsfall eines sachfremden Motivs nennt das Gesetz ein reines Gebührenerzielungsinteresse. Im Gesetz steht sogar ausdrücklich, dass die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs unzulässig ist, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Schadensersatz oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
Indizien zur Bestimmung eines solchen Falles liefert das OLG Hamm auch. So kann von einer Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung ausgegangen werden, wenn die äußeren Umstände nach dem Gesamteindruck aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend in den Abmahnungen eine gute Einnahmequelle sieht. Geht es dem Konkurrenten also nur um die Erzielung von Schadensersatz und nicht um die Beseitigung des Rechtsverstoßes selbst, ist eine Abmahnung rechtswidrig.
Im konkreten Fall war das OLG zwar der Meinung die Parteien seien trotz ihrer räumlichen Entfernung Wettbewerber, da sie Autos im gleichen Preissegment verkaufen.
Es seien hier aber Umstände hinzutreten, welche das grundsätzlich bestehende berechtigte Interesse an der Rechtsverfolgung entfallen ließen. So konnte nachgewiesen werden, dass die Rechtsanwälte der Firma A mögliche Rechtsverstöße selbst aufspüren und dann selbstbestimmt die Rechtsverfolgung dieser Verstöße abmahnen, also ohne für den konkreten Fall von dem Mandanten beauftragt zu sein. Außerdem sei die Abmahntätigkeit hier so umfangreich, dass sie in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu der gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden stehe. Dieselbe Folge hätte nach dem Urteil des OLG eine Abmahntätigkeit auf einem Gebiet, in dem der Abmahnende nur in einem relativ geringen Umfang tätig war.
Der Firma A stand hier daher schon deshalb der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung gegen die die Firma B nicht zu, da diesem wegen des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens die Klagebefugnis fehlte.
Fazit:
Wenn der Abmahner mit seiner Abmahnung hauptsächlich Geld verdienen will, es ihm also im Grunde gar nicht um die Unterlassung der wettbewerbs- oder urheberechtswidrigen Handlung selbst geht, so ist diese Abmahnung rechtsmissbräuchlich. Dann haben die Klagen dieser Abmahner keine Aussicht auf Erfolg.
Damit können Abmahnungen auch von sogenannten Massenabmahnern im Bereich Filesharing genauer unter die Lupe genommen werden, welche genau diese Gewinnerzielung durch Massenabmahnung zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell gemacht haben. Verfolgen diese mit der Massenabmahnung beschäftigten Kanzleien oder deren Mandanten hauptsächlich das Ziel einen Profit für sich und ihre Mandantschaft zu machen, können diese Abmahnungen mit dem Argument der Rechtsmissbräuchlichkeit abgewehrt werden, soweit dem Gericht ausreichende Anhaltspunkte für eine solche Praxis vorliegen.
Die Frage des Rechtsmissbrauchs ist im Übrigen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, so dass dieses Argument jederzeit als Argument in das Verfahren eingebracht werden kann.