In einem von uns vor dem Bundespatentgericht (BPatG) geführten Verfahren hat das Gericht mit Beschluss vom 03.08.2011 – 26 W (pat) 116/10 – entschieden, dass die von der Mandantin / Beschwerdeführerin für Bekleidung und Getränke (Nizza-Klassen 25, 32 und 33) angemeldete Marke „FICKEN“ entgegen der Auffassung des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) nicht sittenwidrig und daher in das Markenregister einzutragen ist. Vorausgegangen ist ein jahrelanger erbitterter Streit um die Bedeutung des Begriffs FICKEN (es gibt tatsächlich zahlreiche) und das Sittlichkeitsempfinden der Bevölkerung.
Angefangen hat alles mit einer bereits 2008 ausgesprochenen Rüge des Werberats. Dieser hat u.a. angenommen, die markenmäßige Bezeichnung des bekannten Jostabeeren-Likörs mit dem Begriff „FICKEN“ suggeriere die Förderung sexuellen Erfolgs durch Alkoholkonsum. Die im Jahre 2009 angemeldete und nun vom BPatG als markenrechtlich unbedenklich eingestufte Wortmarke „FICKEN“ wurde vom DPMA zunächst mehrfach als sittenwidrig zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Markenamt an, dass die Allgemeinheit das Wort „FICKEN“ in seiner vulgären und geschmacklosen Bedeutung verstehen und eine staatliche Monopolisierung des Begriffs als anstößig empfinden würde.
Diese Auffassung teilte das BPatG – wie schon in ähnlich gelagerten früheren Entscheidungen – nicht. Voraussetzung für die Zurückweisung einer Markenanmeldung wegen Sittenwidrigkeit sei, dass das Scham- oder Sittlichkeitsgefühl eines wesentlichen Teils des Verkehrs durch geschlechtsbezogene Angaben unerträglich verletzt wird, wobei auch die fortschreitende Liberalisierung der Anschauungen über Sitte und Moral zu berücksichtigen seien.
Obwohl „kaum den Anforderungen des guten Geschmacks genügend“ seien diese Voraussetzungen bei „FICKEN“ nicht gegeben. Da Geschmacksfragen kein Gegenstand des markenrechtlichen Eintragungsverfahrens sind, müssten über die bloße Geschmacklosigkeit hinaus sexuelle Aussagen feststellbar sein, die massiv diskriminierend und/oder die Menschenwürde beeinträchtigend sind oder so verstanden werden können. Davon sei bei dem geschlechtsneutralen Begriff „FICKEN“ nicht auszugehen.
Begründungshilfe holt sich das BPatG übrigens im Telefonbuch (67 Namensträger), Kunst und Kultur (Mark Ravenhill – „Shoppen & Ficken“, Werner Schwab – „Mesalliance aber wir ficken uns prächtig“, Denis Fischer – „Ficken vor der Kamera“, Almut Getto – „Fickende Fische“, M. Heidenreich – „Engel fickt man nicht“ etc.) und im Duden.
Nicht neue, aber wichtigste Erkenntnis dürfte sein, dass das Markenamt im Eintragungsverfahren nicht zu einer subjektiven Geschmacks- und Moralkontrolle aufgerufen ist. Warum eine solche gleichwohl in Verkennung der Rechtsprechung des BPatG immer wieder durchgeführt wird, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar.
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