Verbraucher die im Internet kaufen, steht ein Widerrufsrecht zu. Da der Verbraucher anders als in einem Ladengeschäft keine Möglichkeit hat, vor Abschluss des Vertrags die Ware in Augenschein zu nehmen, soll sich der Verbraucher während der Widerrufsfrist wieder vom Vertrag lösen können. Wird hierbei der die Ware in Ihrem Wert gemindert hat der Verbraucher nach deutschem Recht Wertersatz zu leisten. Ob diese deutsche Regelung mit europäischem Recht vereinbar ist, hat nun der Europäische Gerichtshof entschieden.
Eine Frau hatte ein Notebook im Internet gekauft. Nachdem der Verkäufer eine Mängelbeseitigung 8 Monate nach dem Kauf ablehnte, widerrief die Frau den Vertrag. Dies war möglich, weil die Belehrung fehlerhaft war und damit die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hatte. Die Frau forderte entsprechend den Kaufpreis von dem Händler zurück. Dieser verlangte seinerseits Wertersatz von der Frau, da sie das Notebook 8 Monate lang genutzt habe. Der Streit landete vor dem Amtsgericht in Lahr.
Das Amtsgericht war sich jedoch nicht sicher, ob die entsprechenden Regelungen mit europäischem Recht vereinbar sind und legte den Sachverhalt dem Europäischen Gerichtshof vor, da die Vorschriften zum Fernabsatz auf der Fernabsatzrichtlinie beruhen und daher entsprechend anzuwenden sind.
Entscheidung des Gerichts
Der EUGH (Urteil vom 03.09.2009 – C 489/07) entschied hierzu, dass ein Verbraucher der von seinem Recht Gebrauch macht, einen Vertragsschluss im Fernabsatz zu widerrufen, nicht dazu verpflichtet werden darf, dem Verkäufer generell Wertersatz für die Nutzung der Ware zu leisten. Eine solche generelle Auferlegung wäre nicht mit der Fernabsatzrichtlinie vereinbar.
Müsste der Verbraucher einen solchen Wertersatz allein deshalb leisten, weil er die Möglichkeit hatte, die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware in der Zeit, in der er sie im Besitz hatte, zu benutzen, könnte er sein Widerrufsrecht nur gegen Zahlung dieses Wertersatzes ausüben. Eine solche Folge nähme dem Verbraucher insbesondere die Möglichkeit, die ihm von der Richtlinie eingeräumte Bedenkzeit völlig frei und ohne jeden Druck zu nutzen. Eine solche Regelung sei daher geeignet, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten.
Außerdem soll dem Verbraucher durch die Regelungen zum Widerrufsrecht die Möglichkeit gegeben werden, die Ware zu prüfen und auszuprobieren. Hätte bereits eine solche Prüfung und Probe der Ware einen Wertersatz zur Folge, würde das Ziel des Widerrufsrechts verfehlt.
Ziel der Richtlinie sei allerdings nicht, dem Verbraucher Rechte einzuräumen, die über das hinausgehen, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich ist. Daher stehe die Richtlinie grundsätzlich solchen nationalen Vorschriften nicht entgegen, die den Verbraucher zur Zahlung eines Wertersatzes verpflichten, wenn er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat.
Fazit
Die Entscheidung des EUGH führt zu einer weiteren Verunsicherung der Onlinehändler. Ob ein Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme, wie er sich unter anderem auch in der Musterwiderrufsbelehrung der BGB-InfoV findet noch verlangt werden kann, erscheint daher eher zweifelhaft. Denn eine reine Erprobung und Prüfung soll nach dem urteil des EUGH stets kostenlos sein. Lediglich für Beschädigungen und andere treuwidrige Verwendungen soll es noch Wertersatz geben. Wann genau eine Verwendung gegen Treu und Glauben verstoßen soll bleibt jedoch unklar. Es ist daher zu befürchten, dass sich viele Verbraucher künftig schlicht Dinge auf Probe kaufen, sie benutzen und ohne Wertersatz zurückgeben, eine Horrorvorstellung für die Onlinehändler. Auch droht Ungemach von Seiten der Wettbewerber, da es vermutlich nicht lange dauern wird, bis es Abmahnungen wegen der Wertersatzregelung in der derzeitigen Musterbelehrung hagelt.
Artikel als PDF speichern