Werbung damit, dass „alle Produkte klimaneutral produziert“ worden sind, ist nicht irrefühend, wenn die Werbung gegenüber Fachkreisen erfolgt. Dies entschied das Landgericht Kleve und erweitert damit die Rechtsprechung zu dem äußerst relevanten Thema der Werbung mit Klimaneutralität.
Ein Lebensmittelhersteller warb in einer Lebensmittel-Zeitung für seine Süßigkeiten mit der Aussage, dass alle Produkte klimaneutral produziert werden würden. Ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass die Klimaneutralität durch kompensatorische Maßnahmen erreicht wird, erfolgte nicht. Es wurde lediglich ein Link zu einem Unternehmen angegeben, über welches Klimaschutzprojekte unterstützt werden können. Ein Wettbewerbsverband ging gegen diese Werbung wegen wettbewerbswidriger Irreführung vor.
Klimaneutralität – keine Irreführung, aber nur bei Fachkreisen
Das LG Kleve (Urteil vom 22.06.2022 – Az. 8 O 44/21) verneint eine Irreführung.
Eine Werbung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware. Hierzu gehört auch das Verfahren der Herstellung. Die Beurteilung der Irreführung erfolgt allein aus Sicht des angesprochenen Verkehrskreises.
Der Herstellungsprozess der Süßigkeiten ist selbst nicht klimaneutral, weil die Klimaneutralität durch kompensatorische Maßnahmen erreicht wird. Die Werbeaussage „alle Produkte klimaneutral produziert“ ist aber dennoch nicht irreführend. Klimaneutral ist nicht gleichbedeutend mit emissionsfrei. Klimaneutralität kann auch über Kompensation erreicht werden, während Emissionsfreiheit bereits einen völlig emissionsfreien Herstellungsprozess erfordert.
Die Klimaneutralität eines Produkts ist zwischenzeitlich für Verbraucher ein wesentlicher Faktor bei Kaufentscheidungen geworden. Daher ist das Fachpublikum im Lebensmittelbereich mit Klimaneutralität, wie auch dem Erreichen dieser durch Kompensationen im beruflichen Alltag ständig konfrontiert. Der Unterschied zwischen „klimaneutral“ und „emissionsfrei“ ist dem von der Werbung angesprochenen Fachpublikum daher bekannt, so das Gericht. Gegenüber dem Fachpublikum bedarf es also keines erläuternden Hinweises, dass die Klimaneutralität der Produkte durch kompensatorische Maßnahmen erreicht wird.
Eine Irreführung durch Unterlassen scheidet nach Auffassung des Gerichts ebenfalls auch deshalb aus, weil ein Link zu einem Unternehmen angegeben wurde, über welches Klimaschutzprojekte unterstützt werden können.
Fazit
Das Urteil verdeutlicht die Relevanz des Adressatenkreises einer Werbung. Die Werbenden müssen für ihre Verbraucherwerbung weiterhin beachten , dass die Werbung mit Klimaneutralität nur zulässig ist wenn der Produktsionsprozess emissionsfrei ist oder darauf hingewiesen wird, dass die Klimaneutralität durch kompensatorische Maßnahmen erreicht wird.
Gegenüber den gut informierten Fachkreisen ist es – nach der zustimmungsbedürftigen Entscheidung des LG Kleve – ausreichend, wenn ohne nähere Erläuterung des Zusammenhangs weitere Informationen über ein Produkt im Internet verfügbar sind.
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