Wann besteht eine Informationspflicht über Herstellergarantien? Müssen Online-Händler über jede Herstellergarantie auf Online-Marktplätzen wie Amazon informieren? Laut dem Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxenburg besteht unter bestimmten Umständen eine umfassende Informationspflicht über Herstellergarantien.
Ein Händler für Fahrräder und Outdoor-Zubehör hat auf Amazon das Taschenmesser eines Schweizer Herstellers angeboten. Dabei enthielt die Amazon-Angebotsseite keine konkreten Angaben zu einer vom Händler oder dem Hersteller gewährten Garantie, aber einen Link zu einem vom Hersteller formulierten Informationsblatt mit folgendem Hinweis:
„Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.“
Weitere Informationen zur Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht. Ein Konkurenzunternehmen war der Ansicht, dass der Händler keine ausreichenden Angaben zu der Herstellergarantie gemacht hat und verklagte ihn.
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hatte zunächst über die Klage zu entscheiden und hat den Fall mit Beschluss vom 11. Februar 2021 – I ZR 241/19 an den EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Informationspflicht über Herstellergarantien ist einzelfallabhängig
Die Richter in Luxenburg mussten dazu Stellung nehmen, ob bereits das bloße Bestehen einer Herstellergarantie eine Informationspflicht des Händlers auslöst. Soweit dies nciht der Fall ist, war die Frage, ob jedenfalls die Erwähnung einer Herstellergarantie im Angebot des Händlers eine Informationspflicht auslöst.
Mit Urteil vom 05.05.2022, Az.C-179/21 hat der EuGH klargestellt, dass soweit sich der Vertragsgegenstand auf eine Ware bezieht, die von einer anderen Person als dem Unternehmer hergestellt wurde, der Händler sämtliche für diese Ware bedeutsamen Informationen abdecken muss. Diese Informationen umfassen die wesentlichen Eigenschaften der Ware sowie grundsätzlich alle mit der Ware verbundenen Garantien sowie die vom Hersteller angebotene gewerbliche Garantie („Herstellergarantie“).
Generelle Pflicht zur Angabe einer Herstellergarantie ist unverhältnismäßig
Der Gerichtshof hat allerdings darauf hingewiesen, dass die Bereitstellung von Informationen über die Herstellergarantie zwar dem Verbraucherschutz diene, eine generelle Verpflichtung aber unverhältnismäßig sei. Eine solche Verpflichtung würde Unternehmer dazu zwingen, die Informationen über eine bestehende Herstellergarantie mit erheblichem Aufwand zu sammeln und zu aktualisieren.
Informationspflicht nur bei berechtigtem Interesse des Verbrauchers
Nach Ansicht der Luxenburger Richter sind Unternehmer nur dann verpflichtet Informationen über eine Herstellergarantie zur Verfügung zu stellen, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran hat.
Ein solches Interesse liege vor, wenn der Unternehmer die Herstellergarantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht, insbesondere, wenn er daraus ein Verkaufs– oder Werbeargument herleitet, um die die Attraktivität seines Angebots im Vergleich zu den Angeboten seiner Wettbewerber zu verbessern.
Ob die Herstellergarantie ein zentrales Merkmal des Verkaufsangebots ist und daher zwingend erwähnt werden müsse, ist nach Ansicht des Gerichts einzelfallabhängig. Entscheidend sei der Inhalt und die allgemeine Gestaltung des Angebots, die Bedeutung der Erwähnung der Herstellergarantie als Verkaufs- oder Werbeargument sowie jeder weitere Gesichtspunkt, der ein objektives Schutzbedürfnis des Verbrauchers begründen könne.
Die Richter betonten außerdem, dass das bloße Bestehen einer Herstellergarantie den Händler nicht automatisch dazu verpflichte über die Garantie zu informieren. Die Informationspflicht entstünde erst, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse an der Information hätte.
FAZIT
Online-Händler die Waren bereits mit einer Herstellergarantie bewerben, müssen sämtliche Informationen zu den Bedingungen der Garantie bereitstellen,da andernfalls wettbewerbsrechtliche Abmahnungen drohen.
Eine generelle Informationspflicht besteht nicht, jedoch müssen Unternehmer im Auge behalten, ob die Herstellergarantien ihrer Waren für den Verbraucher von besonderer Bedeutung sind. Ist dies der Fall, so sind Händler verpflichtet umfassend über die Garantie zu informieren.
Artikel als PDF speichern