Sind „Vitalpilze“ ein Arzneimittel und helfen sie bei einer Corona-Erkrankung? Das Landgericht Gießen hat sich zu einer irreführenden Corona-Werbung eines Online-Händlers positioniert.
Ein Wettbewerbsverein ging gegen einen Online-Händler vor. Auf der Internetpräsenz des Händlers wurden unter anderem die heilenden Eigenschaften sogenannter „Vitalpilze“ beschrieben. Der Unternehmer bot neben teils entgeltlichen, teils unentgeltlichen Seminaren auch Bücher zu dem Thema Vitalpilze zum Kauf an.
Im Laufe der Corona-Pandemie schaltete der Händler eine auf COVID-19 bezogene Anzeige auf seiner Website. Unterhalb der Überschrift „CORONA-INFEKTION: Wie wir uns mit Vitalpilzen schützen können!“ befand sich eine eingebettete Videodatei. Weiter wurden auch Seminare zum Thema „Corona“ angeboten.
Sodann mahnte ein Wettbewerbsverein den Online-Händler wegen Verstoßes gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) in Bezug auf die Corona-Werbung ab. Der Händler verweigerte jedoch die Abgabe der geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung. Schließlich klagte der Wettbewerbsverein auf Unterlassung.
Vitalpilze sind Arzneimittel
Das LG Gießen (Beschl. v. 06.04.2020, Az. 8 O 16/20) wertete die Corona-Werbung des Online-Händlers als irreführend und damit wettbewerbswidrig. Zunächst stellten die Richter fest, dass es sich bei den einschlägigen Normen des HWG um Marktverhaltensregeln im Sinne des Wettbewerbsrechts handele. Somit seien Verstöße gegen das HWG wettbewerbsrechtlich sanktionierbar.
Einen solchen Verstoß gegen das HWG stellte das Gericht fest. Voraussetzung für eine irreführende Werbung im Sinne des HWG sei zunächst, dass die Vitalpilze als Arzneimittel im Sinne des HWG einzuordnen sind. Ein Arzneimittel sei insbesondere auch dann gegeben, wenn das betreffende Produkt zur Anwendung im menschlichen Körper lediglich bestimmt ist, und zwar zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden („Präsentationsarzneimittel“).
Eine beachtliche Anzahl der Verbraucher gehe von einer Zweckbestimmung der „Vitalpilze“ für den Einsatz zu therapeutischen Zwecken aus, sodass es sich um ein Arzneimittel handele, so das Gericht.
Corona-Werbung ist irreführend
Die Corona-Werbung des Händlers klassifizierte das LG Gießen weiter auch als irreführend. Nach dem HWG liegt eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn Arzneimittel eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Eine derartige Aussage wie in der streitgegenständlichen Corona-Werbung wäre ausschließlich dann zulässig, wenn sie auf gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis beruhen würde, so die Richter.
Es stelle jedoch Allgemeinwissen dar, dass bezüglich der von dem Erreger COVID-19 hervorgerufenen Erkrankung derzeit noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber vorliegen, ob bestimmte Stoffe im Infektionsfalle einen Schutz bieten oder nicht. Bei diesem Stande der Wissenschaft seien jegliche Anpreisungen für ein Mittel, die einen Schutz vor COVID-19 zum Ausdruck bringen, durch das HWG untersagt.
Fazit
Generell sollte man bei der Werbung mit Arzneimitteln große Vorsicht walten lassen. Dies gilt, wie das Urteil zeigt, insbesondere für sämtliche Substanzen, denen eine positive Wirkung im Hinblick auf eine COVID-19-Erkrankung zugesprochen wird.