Der Streit zwischen Moses Pelham und Kraftwerk um die Zulässigkeit des Tonträgersamplings geht in die nächste Runde. Der BGH hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen Rechte des Tonträgerherstellers durch das Sampling verletzt werden.
Moses Pelham und Kraftwerk streiten seit über 20 Jahren um eine 2-Sekunden-Tonsequenz aus dem über 40 Jahre alten Song „Metall auf Metall“ von Kraftwerk. Diesen Tonschnipsel hat Moses Pelham nämlich als fortlaufende Sequenz im Song „Nur mir“ von Sabrina Setlur verwendet, was Kraftwerk offenbar so gar nicht gefiel. Seither streitet man sich darum, ob das urheberrechtlich zulässig war oder eben nicht.
Der Rechtsstreit ging inzwischen durch sämtliche Instanzen und hatte zuletzt auch den EuGH beschäftigt (wir berichteten). Erneut durfte nun der BGH in dem Fall entscheiden.
Entscheidung des BGH zu Moses Pelham vs. Kraftwerk – Keine abschließende Entscheidung
Der BGH hat mit Urteil vom 30.04.2020 (Pressemitteilung 46/2020 vom 30.04.2020) das erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache erneut an das OLG zurückverwiesen. Mit der vom OLG gegebenen Begründung können die von Kraftwerk geltend gemachten Ansprüche weder in Bezug auf ein Herstellen noch in Bezug auf ein Inverkehrbringen von Tonträgern zugesprochen werden, so der BGH.
Urheberrechtsrichtlinie maßgeblich
Der BGH hat dabei zwischen Vervielfältigungen vor dem 22.12.2002 und nach dem 22.12.2002 unterschieden. Grund hierfür ist die Anwendbarkeit der Urheberrechtsrichtlinie (Richtlinie 2001/29/EG) seit dem 22.12.2002.
Für die Vervielfältigungshandlungen vor dem 22.12.2002 hielt der BGH fest, dass die Voraussetzungen einer freien Benutzung gegeben sein dürften, da es sich bei der von Pelham entnommenen Rhythmussequenz nicht um eine Melodie handele.
Für die Vervielfältigungshandlungen nach dem 22.12.2002 komme hingegen eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts von Kraftwerk in Betracht. Denn seit Geltung der Urheberrechtsrichtlinie sei das Recht des Tonträgerherstellers richtlinienkonform auszulegen. Laut EuGH stelle die Entnahme von zwei Takten einer Rhythmussequenz von Kraftwerk und Übertragung auf den Tonträger von Pelham eine Vervielfältigung dar. Das Audiofragment sei zwar in leicht geänderter, aber beim Hören wiedererkennbarer Form in den neuen Tonträger übernommen worden. Auf eine freie Benutzung könne sich Pelham nicht berufen, da diese nationale Regelung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei.
Eine abschließende Beurteilung sei dem BGH jedoch nicht möglich. Das OLG habe keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob Pelham vor dem 22.12.2002 Vervielfältigungs- oder Verbreitungshandlungen vorgenommen habe oder ob solche zu erwarten waren. Entsprechende Feststellungen werde das OLG im neu eröffneten Verfahren zu treffen haben.
Keine Verletzung des Verbreitungsrechts
Eine Verletzung des Verbreitungsrechts von Kraftwerk als Tonträgerhersteller im Hinblick auf das Inverkehrbringen hat der BGH ausgeschlossen. Laut EuGH stellt ein Tonträger, der ein Musikfragment eines anderen Tonträgers enthält, keine Kopie dieses Tonträgers dar. Es liege allenfalls eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts von Kraftwerk als Tonträgerhersteller vor.
Insgesamt sei dem BGH eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Das OLG wird weitere Feststellungen zu treffen haben.
Hinweise
Der BGH hat aber darauf hingewiesen, dass für das Leistungsschutzrecht von Kraftwerk als Künstler dasselbe gelte wie für das Leistungsschutzrecht als Tonträgerhersteller.
Hinsichtlich der Ansprüche aus Urheberecht hinterfrage der BGH bereits das Vorliegen eines urheberrechtlich geschütztes Werks in Form der Tonsequenz. Jedenfalls könne sich Pelham für sämtliche Nutzungshandlungen vor dem 22.12.2002 auf das Recht der freien Benutzung berufen.
Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz hielt der BGH für eher fernliegend.
Fazit
Der Rechtsstreit zwischen Moses Pelham und Kraftwerk ist noch nicht zu Ende. Das OLG wird nunmehr weitere Feststellungen treffen und erneut entscheiden müssen. Der BGH gibt allerdings umfangreiche Hinweise. Hinsichtlich der Nutzungshandlungen vor dem 22.12.2002 könne sich Pelham aber auf das Recht der freien Benutzung berufen. Ob die Tonsequenz danach genutzt wurde oder eine entsprechende Absicht bestand, müsste das OLG noch feststellen. Dies gilt im Übrigen auch auch für die Verletzung des Verbreitungsrechts als Tonträgerhersteller und des Leistungsschutzrechts als Künstler.
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