Ein Wettbewerbsverband hielt die Aussage einer Versicherung für eine irreführende Werbung, welche Versicherungsnehmern von PKW-Kaskoversicherung versprach, bei grober Fahrlässigkeit „grundsätzlich“ 85% der Kosten zu bezahlen. In Wahrheit wurde diese Quote aber eben nicht ausnahmslos bezahlt. Das Oberlandesgericht Bamberg hatte nun in zweiter Instanz zu entscheiden, ob „grundsätzlich“ vom Verkehr als „immer“ verstanden wird.
Ein Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, machte gegen eine Versicherung wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend und begehrt Ersatz von Abmahnkosten. Der Wettbewerbsverband beanstandete folgende Werbung:
„Was gilt, wenn Sie das Fahrzeug in einer anderen Werkstatt reparieren lassen?
Haben Sie mit uns K. vereinbart und lassen Sie Ihr Fahrzeug in einer anderen, von uns nicht ausgewählten Werkstatt reparieren, können wir unsere Leistung – je nach dem Grad des Verschuldens – kürzen oder streichen:
– Bei grober Fahrlässigkeit leisten wir grundsätzlich 85% (ohne Transportkosten)
– Weisen Sie nach, dass Sie nicht grob fahrlässig gehandelt haben, leisten wir voll (ohne Transportkosten)
Weitere Informationen können Sie den Versicherungsbedingungen entnehmen.“
Das Versicherungsunternehmen behielt sich in den referenzierten Versicherungsbedingungen aber die Möglichkeit vor, bei grober Fahrlässigkeit eine höhere Abzugsmöglichkeit als 15% vorzunehmen. Dies stufte der Wettbewerbsverband als eine irreführende Werbung ein, da der Verkehr durch diese Werbung mit der Formulierung „grundsätzlich“ davon ausgehe, dass die Versicherung auch bei einer nicht empfohlenen Werkstatt immer 85% des Schadens übernehme.
Entscheidung des Gerichts
Mit Urteil vom 23.09.2015 – Az. 3 U 77/15 – ist das Oberlandesgericht Bamberg dieser Auffassung nicht gefolgt und hat eine Irreführung verneint. Mit der beanstandeten Werbeaussage der Versicherung werde der Verkehr nicht über ein wesentliches Merkmal der Dienstleistung getäuscht.
Dabei sei es bereits fraglich, ob das Wort „grundsätzlich“ gleichbedeutend mit „ausnahmslos“, „immer“ oder „ohne Ausnahme“ sei. Der Einleitungssatz der Werbeaussage weise klar und deutlich darauf hin, dass die Versicherungsleistung je nach dem Grad des Verschuldens bei Auswahl der Werkstatt gekürzt oder gestrichen werden könne. Verstünde man den Begriff „grundsätzlich“ im nachfolgenden Satz im Sinne von „immer“, wäre der Hinweis auf die Möglichkeit einer Kürzung entsprechend dem Grad des Verschuldens sinnlos. Der verständige Verbraucher verstehe die Aussage „Bei grober Fahrlässigkeit leisten wir grundsätzlich 85%“ nach dem vorangegangen Hinweis dahingehend, das es von dem dargestellten Grundsatz auch Ausnahmen geben könne.
Zudem fehle es an der Relevanz der Irreführung, selbst wenn der Verkehr dies anders verstehe. Denn die Versicherung verspreche in der Werbung mehr als ihre gesetzliche Leistungsverpflichtung. Eine solche Irreführung zum Nachteil des Werbenden sei jedoch nicht wettbewerbsrechtlich relevant und stelle damit auch keine Wettbewerbsverletzung dar.
Fazit
Das OLG Bamberg übersetzt „grundsätzlich“ hier mit „in der Regel“. Dies kann hier allerdings nur aus dem Gesamtzusammenhang des Werbetextes geschlossen werden. Entsprechende Formulierungen sind daher mit Vorsicht zu genießen, da sie beim Verkehr Fehlvorstellungen auslösen können und Abmahnungen wegen irreführender Werbung nach sich ziehen können.
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