Welche Maßstäbe gelten bei der Beurteilung ob eine Verletzung einer Gewährleistungsmarke vorliegt? Inwiefern unterscheiden sich diese von den Maßstäben anderer Markenformen? Rechtsprechung gibt es zur Gewährleistungsmarke in der EU so gut wie keine. Wir haben für unsere Mandantin soweit wir Wissen die erste obergerichtliche Entscheidung in der EU herbeigeführt. Das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigt dabei einen sehr weiten Schutz der Gewährleistungsmarke und erteilt Einwänden wie Erschöpfung und berechtigter Nutzung bei Nichteinhaltung der Markensatzung eine Absage.
Gewährleistungsmarken
Gewährleistungsmarken führen seit Ihrer Einführung in Deutschland und der EU immer noch ein Nischendasein. So gibt es kaum Rechtsprechung zu Gewährleistungsmarken in der EU. Dabei sind Gütezeichen, Gütesiegel und Zertifikate, die mit Gewährleistungsmarken geschützt werden können, weit verbreitet und werden insbesondere von vielen Verbrauchern auf der Suche nach nachhaltigen, umweltfreundlichen oder sozial verantwortlichen Produkten geschätzt.
Viele Inhaber von Gütezeichen und Gütesiegeln haben aber nach wie vor keine Gewährleistungsmarken angemeldet, sondern reguläre Marken oder Kollektivmarken.
Global Organic Textile Standard (GOTS)
Der Global Organic Textile Standard (GOTS) ist ein weltweit einheitlicher und angewandter Standard, der in der gesamten Lieferkette strenge Anforderungen an die ökologischen und sozialen Bedingungen bei der Textil- und Bekleidungsherstellung unter Verwendung von ökologisch erzeugten Rohstoffen festlegt. Es handelt sich bei dem Global Organic Textile Standard (GOTS) um einen Standard mit Produktkettenzertifizierung. Dies bedeutet, dass bei nach dem Global Organic Textile Standard (GOTS) zertifizierten Waren jeder Be- und Verarbeitungsschritt oder anderweitige Veränderung an Produkten und deren Verpackung nur durch zertifizierte Unternehmen erfolgen darf.
Daneben beinhaltet der Global Organic Textile Standard (GOTS) z.B. auch Regelungen zu Transport, Lagerhaltung und den Handel mit GOTS-Waren. Das Logo des Global Organic Textile Standard (GOTS) und die Wortmarke GOTS sind bereits mit Einführung der Unionsgewährleistungsmarke als solche angemeldet worden. Auf die Regularien des Global Organic Textile Standard (GOTS) wird in der Markensatzung der Gewährleistungsmarken Bezug genommen.
Wird ein zertifiziertes Produkt ohne Zertifizierung verändert oder verarbeitet, so verliert dieses Produkt seine Zertifizierung. Jegliche Nutzung für nicht (mehr) zertifizierte (Vor)Produkte ist nicht gestattet.
So gewährleistet die Gewährleistungsmarke auch die Einhaltung von Sozialstandards, z.B. die Zahlung von Mindestlöhnen oder Umweltstandards wie die Freiheit von bestimmten Chemikalien, wie sie z.B. in Druckfarben vorkommen. Der Verbraucher darf also erwarten, dass ein Produkt, welches mit der Gewährleistungsmarken beworben oder gekennzeichnet ist, diese Voraussetzungen erfüllt. Bei einer Verarbeitung durch nicht zertifizierte Unternehmen, kann die Einhaltung dieser Vorgaben mangels Kontrolle jedoch nicht überprüft werden.
Werbung mit GOTS
Ein Onlinehändler mit Sitz in Dresden verkaufte Stoffe als Meterware, die er nach den Vorgaben seiner Kunden zuschneidet. Der Onlinehändler erwarb GOTS-zertifizierte Stoffballen und bot auch diese auf seiner Webseite als GOTS-zertifizierte Stoffe in der Weise an, dass der Kunde hiervon nach seinen Vorgaben zugeschnittene Stücke Stoff bestellen konnte. Der Händler schnitt diese dann zu, verpackte sie und verschickte sie an den Kunden.
Tätigkeiten wie Zuschnitt und Umverpackung dürfen jedoch nach der Markensatzung nur von zertifizierten Unternehmen durchgeführt werden. Der betreffende Händler war aber kein nach dem Global Organic Textile Standard (GOTS) zertifiziertes Unternehmen,.
Nachdem das Landgericht in dem konkreten Fall noch von einer berechtigten Nutzung der Marke durch den Händler ausgegangen war, legten wir Berufung beim OLG Stuttgart ein.
Verstoß gegen Markensatzung ist Verletzung einer Gewährleistungsmarke
Das OLG Stuttgart (Urteil vom 18.08.2022 – Az. 2 U 221/21) gab unserer Mandantin recht und sah in der Werbung die Verletzung einer Gewährleistungsmarke.
Die Frage, ob jemand zur Nutzung einer Gewährleistungsmarke berechtigt sei, richte sich ausschließlich nach der Markensatzung, in der die zur Benutzung der Marke befugten Personen und die Bedingungen für die Benutzung der Marke anzugeben sind.
Bereits die erneute Verpackung ohne zertifiziert zu sein, verstoße gegen die Markensatzung. Entscheidend sei, dass die Beklagte die Ware nicht so, wie sie sie erhalten habe, weiterverkaufe.
Die Nutzung sei auch unbefugt, da die Beklagte sich weder auf Beschränkungen der Wirkung der Unionsmarke oder markenrechtliche Erschöpfung berufen könne. Die Benutzung entspreche nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel, da sie gegen die Vorgaben der Markensatzung verstoße. Es liegen auch berechtigte Gründe der Markeninhaberin vor, die einer Nutzung der Marke durch den Onlinehändler entgegenstehen.
Es müsse vorliegend berücksichtigt werden, dass die Gewährleistungsmarke der Klägerin nicht nur bei der Herstellung der Ware, sondern auch beim Handel mit der Ware einen bestimmten Standard gewährleisten solle, und dies könne die Gewährleistungsmarke der Klägerin nicht leisten, wenn auf weiteren, nachfolgenden Handelsstufen ihre Marke benutzt werden dürfe, ohne dass die satzungsmäßigen Bestimmungen hierfür eingehalten werden.
Fazit
Wir haben bereits viele Gewährleistungsmarken in vielen Ländern angemeldet und zahlreiche Verfahren bei Verletzung einer Gewährleistungsmarke erfolgreich geführt.
Die Entscheidung des OLG Stuttgart ist nun aber die erste obergerichtliche Entscheidung und ein wichtiger Erfolg für unsere Mandantin. Sie stärkt die Integrität des Standards und das Vertrauen der Verbraucher.
Die Entscheidung bestätigt den sehr weiten Schutzumfang der Unionsgewährleistungsmarke und berücksichtigt die Besonderheiten der Gewährleistungsmarke.
Zentrales Element ist die Markensatzung, auf die Markeninhaber bereits bei der Anmeldung besonderes Augenmerk legen sollten. Denn letztlich ist eine Nutzung nur gestattet, wenn die Markensatzung diese erlaubt.
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