Kann man fremde Geschäftsgeheimnisse verletzen, wenn man ein Geschäftsgeheimnis per E-Mail erhalten hat ohne sonst etwas beigetragen zu haben? Wie sind Anträge in Geheimnisschutzverfahren zu formulieren, damit diese nicht unzulässig sind? Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. hat sich geäußert.
Zwei Wettbewerber aus dem Bereich der Textilindustrie stritten um Ansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz. Ein ehemaliger Arbeitnehmer eines Unternehmens kündigte und wurde wenig später bei dem Wettbewerber angestellt.
Das Unternehmen hatte im Vorfeld Anhaltspunkte dafür, dass mehrere Mitarbeiter im Begriff waren, zum Konkurrenten oder zu dessen konzernangehörigen Gesellschaften zu wechseln. Sodann wurde eine Untersuchung der Datenbewegungen einiger der betroffenen Mitarbeiter beauftragt.
Die durchgeführte Untersuchung ergab, dass ein ehemaliger Mitarbeiter des Unternehmens eine Vielzahl von Daten exportiert, hochgeladen und gedruckt hatte. Weiter schickte er Daten des Unternehmens per E-Mail an seine eigene Adresse sowie an die Adresse des Geschäftsführers des Wettbewerbers, welcher ihn zwischenzeitlich einstellte.
Ein auf Unterlassung der Nutzung und/oder Offenlegung von Betriebsgeheimnissen sowie Herausgabe entsprechender Unterlagen gerichteter Verfügungsantrag des Unternehmens wurde jedoch zurückgewiesen.
Laut Landgericht fehle es an einem Verfügungsgrund. Zudem habe der Geschäftsführer des Konkurrenten nur eine E-Mail erhalten ohne dass dieser wusste oder hätte wissen müssen, dass die darin enthaltenen Informationen rechtswidrig erlangt wurden.
Entscheidung des OLG Frankfurt a. Main
Eine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des LG Frankfurt a. M. beim OLG Frankfurt a. M. hatte keinen Erfolg. Das OLG (Beschluss vom 27.11.2020- Az. 6 W 113/20) bestätigte die Ansicht der Vorinstanz, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen war.
Zwar bestehe entgegen der Auffassung des Landgerichts ein Verfügungsgrund, allerdings sei der Antrag zu unbestimmt und damit unzulässig. Die Anträge nehmen allgemein Bezug auf „Geschäftsgeheimnisse“ ohne diese jedoch genauer zu bezeichnen.
Soweit in Hilfsanträgen auf Anlagen und die darin enthaltenen Geschäftsgeheimnisse Bezug genommen wird, gelte das gleiche, da nicht alles in den Anlagen ein Geschäftsgeheimnis sei und somit der Umfang des begehrten Verbots unklar bleibe.
Geschäftsgeheimnis per E-Mail nicht unzulässig erlangt
Inhaltlich sah das Gericht kein nach dem GeschGehG sanktioniertes Verhalten des Wettbewerbers. Denn eine nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz verbotene Verletzungshandlung – das „Erlangen“ von Geschäftsgeheimnissen – habe nicht vorgelegen.
Zwar erfasse das GeschGehG auch mittelbare Verletzungshandlungen, bei denen die handelnde Person das Geschäftsgeheimnis entweder von einem Dritten beziehe bzw. ableite oder mit rechtsverletzenden Produkten umgehe. In beiden Fällen sei in der Person des Handelnden – hier des Wettbewerbers- jedoch ein subjektives Element erforderlich.
- Daran fehlte es jedoch, wie das Gericht feststellte. Denn es sei erforderlich, dass die handelnde Person gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass der Dritte einen Rechtsverstoß begangen habe.
Das Gericht legte dar, wann eine unzulässige Kenntniserlangung eines Geschäftsgeheimnisses gegeben ist:
Bei Zugang, Aneignung oder Kopieren. Keine dieser Handlungsformen lag nach den Feststellungen des Gerichts jedoch vor. Insbesondere könne ein „Zugang“ nicht bejaht werden. Dieser liege nämlich nicht schon dann vor, wenn eine E-Mail empfangen werde, da der Empfänger hierzu keinerlei Beitrag leiste. Vielmehr sei zu verlangen, dass in dem „Zugang“ ein aktives Element enthalten sein müsse. Das heißt, der Empfänger müsse auch eine Form von Aktivität entfaltet haben.
- Dazu wurde jedoch weder vorgetragen noch könne es einfach unterstellt werden, führte das Gericht aus. So sei denkbar und nicht fernliegend, dass der Mitarbeiter aus eigenem Antrieb und ohne Kenntnis des Geschäftsführers des Antragsgegners die E-Mail mit den Informationen gesendet habe.
Fazit
- Die Durchsetzung von Ansprüchen nach dem GeschGehG ist manchmal tückisch. So sind die Geschäftsgeheimnisse so konkret in die Anträge aufzunehmen, dass diese ausreichend bestimmt sind, damit diese nicht als unzulässig zurückgewiesen werden. Dies ist oftmals alles andere als trivial.
- Soweit Mitarbeiter ein Geschäftsgeheimnis per E-Mail an Dritte versenden, muss nach der Auffassung der Frankfurter Richter zudem dargelegt werden, dass der Empfänger von der Rechtswidrigkeit weiß oder wissen musste. Allein die Tatsache, dass einem Dritten ein Geschäftsgeheimnis übermittelt wird, begründet keine Haftung des Empfängers für das rechtswidrige Verhalten des Absenders. Viele Empfänger werden versuchen mit dieser Argumentation einer Haftung zu entgehen.
- Daran fehlte es jedoch, wie das Gericht feststellte. Denn es sei erforderlich, dass die handelnde Person gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass der Dritte einen Rechtsverstoß begangen habe.