Moses Pelham und Kraftwerk streiten seit über 20 Jahren um eine 2-Sekunden-Tonsequenz. Dürfen Audiofragmente für eigene Musikstücke genutzt werden? Ist das Sampling zulässig oder werden dadurch Rechte des Tonträgerherstellers verletzt?
Die Musiker streiten um eine kurze Tonsequenz aus dem im Jahr 1977 erschienen Song „Metall auf Metall“ der Band Kraftwerk. Der Musikproduzent Moses Pelham hat den Tonschnipsel für das Stück „Nur mir“ von Sabrina Setlur kopiert und in fortlaufender Wiederholung als Groove unterlegt.
Der BGH bestätigte zunächst die vorinstanzlichen Entscheidungen und verurteilte Pelham zur Unterlassung und Schadensersatz. Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde von Moses Pelham gegen das BGH-Urteil statt. Schließlich hat der BGH im Jahr 2017 das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen vorgelegt (wir berichteten).
Entscheidung des EuGH – Sampling kann erlaubt sein
Mit Urteil vom 29.07.2019 – C-476/17 (Pressemitteilung Nr. 98/19) hat der EuGH nun zu den Fragen des BGH Stellung genommen.
Der EuGH wies zunächst darauf hin, dass die Tonträgerhersteller das ausschließliche Recht haben, die Vervielfältigung ihrer Tonträger ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten. Danach sei die Vervielfältigung eines – auch nur sehr kurzen – Audiofragments, das einem Tonträger entnommen wurde, grundsätzlich eine teilweise Vervielfältigung dieses Tonträgers. Eine solche Vervielfältigung falle unter das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers.
Eine Vervielfältigung liege jedoch dann nicht vor, wenn ein Nutzer in Ausübung seiner Kunstfreiheit einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt, um es in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in ein neues Werk einzufügen.
Werden hingegen alle oder ein wesentlicher Teil der im Tonträger festgelegten Töne übernommen, dann handelt es sich um eine Kopie des Tonträgers, für die der Tonträgerhersteller über ein ausschließliches Vervielfältigungsrecht verfüge. Musikfragmente, die gegebenenfalls in geänderter Form vom Tonträger übertragen werden, um ein neues davon unabhängiges Werk zu schaffen, seien keine solche Kopien.
Zudem erklärte der EuGH, dass das die deutsche Vorschrift, die das Recht auf freie Benutzung regelt, mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sei. Ausnahmen und Beschränkungen für die Rechte der Rechtsinhaber seien im Unionsrecht erschöpfend geregelt.
Schließlich hat der EuGH festgestellt, dass ein Audiofragment, welche das Werk dem es entnommen wurde, erkennen lässt, unter bestimmten Voraussetzungen ein Zitat sein kann. Die sei insbesondere dann der Fall, wenn die Nutzung zum Ziel habe, mit diesem Werk zu interagieren. Ist das Werk nicht zu erkennen, stelle die Nutzung des Fragments hingegen kein Zitat dar.
Fazit
Die Entscheidung des EuGH ist differenziert. Sampling kann einen Eingriff darstellen, wenn alle oder ein wesentlicher Teil der Töne eines Werks übernommen werden. Werden hingegen nur Musikfragmente übernommen, um ein neues unabhängiges Werk zu schaffen, liegt keine unzulässige Kopie vor. Ist das ursprüngliche Werk nicht mehr zu erkennen, liegt auch kein Zitat vor.
Nunmehr steht die Entscheidung des BGH an, bei der die Vorgaben des EuGH zu beachten sein werden. Eine freie Benutzung kommt jedenfalls nicht Betracht.
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