Das Landgericht Hamburg bestätigte im Hauptsacheverfahren Erdoğan ./. Böhmermann die bereits zuvor im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung der Kammer und verbot weiter einige Passagen des Schmähgedichts. Das letzte Wort ist hier allerdings noch nicht gesprochen.
Jan Böhmermann hatte in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ ein als „Schmähkritik“ bezeichnetes Gedicht verlesen, in dem er dem türkischen Präsidenten auf sehr anschauliche Weise erklärt, wo die Grenzen des Äußerungsrechtes zur Kunstfreiheit liegen.
Auslöser des Gedichtes war die Einbestellung des deutschen Botschafters aufgrund eines im ZDF ausgestrahlten kritischen aber relativ harmlosen Beitrages, der ebenfalls Erdoğan zum Gegenstand hatte. Der türkische Präsident ging gegen das Schmähgedicht wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts u.a. wegen folgender Passagen vor:
Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner,
selbst ein Schweinefurz riecht schöner“
und
„Kurden treten, Christen hauen
und dabei Kinderpornos schauen.
Und selbst abends heisst‘s
statt schlafen, Fellatio mit hundert Schafen.
Ja, Erdogan ist voll und ganz,
ein Präsident mit kleinem Schwanz.“
oder auch
„Jeden Türken hört man flöten,
die dumme Sau hat Schrumpelklöten.
Von Ankara bis Istanbul
weiß jeder, dieser Mann ist schwul,
pervers, verlaust und zoophil-
Recep Fritzl Priklopil.
Sein Kopf so leer wie seine Eier,
der Star auf jeder Gangbang-Feier.
Bis der Schwanz beim Pinkeln brennt,
das ist Recep Erdogan, der türkische Präsident.“
Im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes (wir haben berichtet) hatte das Landgericht Hamburg die beantragte Einstweilige Verfügung gegen den Fernsehmoderator Jan Böhmermann zum Teil erlassen und diesem die Wiederholung der oben zitierten Teile seines Gedichtes als „Schmähkritik“ untersagt.
In dieser Sache ist nun ein Urteil im Hauptsacheverfahren ergangen.
Landgericht Hamburg verbietet weiter Teile des Schmähgedichts
Auch im Hauptsacheverfahren änderte das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 10.02.1017, Az. 324 O 402/16 (Pressemitteilung) seine Rechtsauffassung nicht und Verbot die oben zitierten Teile des Schmähgedichtes wegen der Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte von Recep Erdoğan. Der Klage – wie zuvor dem Antrag auf Einstweilige Verfügung – wurde aber nur zum Teil stattgegeben, da Erdoğan das Gedicht insgesamt untersagen lassen wollte.
Das LG Hamburg wies damit die Argumentation Böhmermanns zurück, das Gedicht sei als Gesamtwerk zu betrachten und im Rahmen der Kunstfreiheit geschützt. Es trage zur öffentlichen Meinungsbildung über die Grenzen von Satire bei. Es sei zudem der Umgang des Klägers mit seinen Kritikern zu berücksichtigen, da Erdoğan die Unterdrückung kritischer Stimmen auf die Spitze getrieben habe.
Das Gericht argumentierte dagegen, das die Kunstfreiheit nach dem Bundesverfassungsgericht zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos sei. Wenn es mit anderen Werten wie dem verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht kollidiere, so bedürfe es einer Abwägung, welche hier zugunsten des türkischen Präsidenten ausfallen müsse. Hierbei sei zu beachten, dass Satire zwar einen großen Freiraum beanspruchen dürfe. Auch eine durch die Kunstfreiheit geschützte Satire könne jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen so in seinem Kernbereich berühren, das sie zu untersagen sei. So liege die Sache bezüglich der oben zitierten Passagen hier.
Fazit
In dieser Sache ist das letzte Wort och nicht gesprochen. Es ist davon auszugehen, dass der Streit zumindest noch in die nächste Instanz getragen wird. Dabei wird sich zeigen, ob auch das OLG Hamburg nur Teile des Schmähgedichts verbieten wird. Es scheint aus unserer Sicht konsequenter, das als einheitliches satirisches Werk geschaffene Schmähgedicht wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten entweder ganz zu versagen oder nach Abwägung insbesondere des Gesamtkontextes wegen der Kunstfreiheit ganz zu erlauben.
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