Jan Böhmermanns Gedicht „Schmähkritik“ darf bei einer Demonstration vor der türkischen Botschaft weder gezeigt noch rezitiert werden. Das Verwaltungsgericht Berlin hat die versammlungsrechtliche Auflage der des Berliner Polizeipräsidenten bestätigt.
Die Veranstalter haben unter dem Motto „Ziegendemo gegen Beleidigung“ eine Versammlung vor dem Grundstück der türkischen Botschaft in Berlin geplant. Dabei sollten die Teilnehmer der Kundgebung Ziegenmasken oder Kopftücher tragen und „künstlerische Schrifttafeln“ vor sich aufstellen. Darüber hinaus sollten auf den Schildern Teile von Jan Böhmermanns Gedicht „Schmähkritik“ abgedruckt und hochgehalten werden.
Der Polizeipräsident in Berlin hat als Versammlungsbehörde das öffentliche Zeigen und Rezitieren des Gedichts „Schmähkritik“ oder einzelner Textpassagen daraus mit der Begründung untersagt, diese seien geeignet, den Verdacht einer Straftat zu begründen. Ferner hätten die Formulierungen ehrverletzenden Charakter. Gegen diese Auflage wehrten sich die Veranstalter der Demo, allerdings erfolglos.
Entscheidung des Gerichts – Schmähkritik verboten
Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 14.04.2016 – VG 1 L 268.16 (Pressemitteilung Nr. 15/2016 vom 15.04.2016) die versammlungsrechtliche Auflage bestätigt. Eine Aussage über die Strafbarkeit von Jan Böhmermanns Beitrag in seiner Late-Night-Show Neo Magazin Royale hat das Gericht dabei nicht getroffen.
Die Satire von Böhmermann zeichne sich durch eine distanzierte Einbettung in einen „quasi-edukatorischen Gesamtkontext“ aus, um so die Grenzen der Meinungsfreiheit zu verdeutlichen. Im Gegensatz dazu erfülle die isolierte Zitierung des Gedichts die Voraussetzung eine beleidigenden Schmähkritik. In diesem Fall gehe der Persönlichkeitsschutz der Meinungsfreiheit vor. Trotz der öffentlichen Diskussion über den Beitrag von Jan Böhmermann werde ein unbefangener Dritter, der die mit Ziegenmasken auftretenden Versammlungsteilnehmer und die Texttafeln wahrnehme, dies nicht als zulässige Form der Meinungsäußerung verstehen.
Fazit
Das Gericht hat vorliegend richtigerweise Jan Böhmermanns Gedicht „Schmähkritik“ als solches und seinen Beitrag, der sich mit den Grenzen der Meinungsfreiheit befasst, getrennt betrachtet. Nicht von der Meinungsfreiheit umfasst ist die sog. Schmähkritik, bei der es nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht mehr um die Auseinandersetzung mit der Sache geht, sondern die Herabsetzung einer Person im Vordergrund steht. Für sich genommen, ist Böhmermanns Gedicht als reine Schmähkritik nicht zulässig. Auch Jan Böhmermann ist dieser Auffassung, was er in seiner Sendung mehrfach deutlich gemacht und schließlich auch durch die Wahl des Titels betont hat. Ob der Vortrag des Gedichts im Rahmen eines quasi-edukatorischen-Gesamtkontexts – wie im Beitrag des Neo Magazin Royale – noch als Schmähkritik verstanden wird, muss im Fall Böhmermann nunmehr zunächst die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Strafbarkeitserwägungen prüfen.
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