Kann ein ursprünglich einmal rechtmäßig ins Internet eingestellter Presseartikel nach Erlöschen eines allgemeinen öffentlichen Interesses an den berichteten Vorgängen zu einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen führen? Mit einem solchen Unterlassungsanspruch hatte sich das Oberlandesgericht Hamburg auseinanderzusetzen.
Einem Kommunikationsberater war aufgrund einer Strafanzeige eines deutschen Politikers vorgeworfen worden, an diesen anonyme Telefaxe mit beleidigenden und verleumderischen Aussagen gesendet zu haben. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wurde im Einvernehmen mit dem Kläger gegen Zahlung von EUR 40.000,00 endgültig eingestellt. Dabei wurden über die konkreten Umstände der Einstellung des Verfahrens in der Presse sehr kritisch berichtet.
Der Verleger einer überregionalen Tageszeitung hielt auf dem Internetarchiv der Tageszeitung auch noch nach mehreren Jahren die damaligen Berichte zum Abruf bereit.
Nachdem das gegen den Kommunikationsberater gerichtete Strafverfahren eingestellt worden war, verlangte er von dem Verlag die öffentliche Zurverfügungstellung über das Internet zu unterlassen, da die Berichterstattung seine allgemeinen Persönlichkeitsrechte verletzten. Er habe ein aus seinem Persönlichkeitsrecht stammendes Recht auf Vergessen.
Der Verleger wehrte sich gegen den Anspruch und bekam in erster Instanz Recht. Das LG Hamburg begründete seine Ablehnung des Unterlassungsanspruchs aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kommunikationsberaters damit, dass ein Eingriff in die Berichterstattungsfreiheit bei dem bestehenden öffentlichen Interesse an den Artikeln nicht statthaft sei.
Entscheidung des Gerichts
Das Oberlandesgericht Hamburg entschied mit Urteil vom 07.07.2015 (Az. 7U 29/12), dass ein Ermittlungsverfahren thematisierende Presseveröffentlichungen, welche für jeden Internetnutzer ohne größeren Aufwand dauerhaft auffindbar und abrufbar sind, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen wesentlich beeinträchtigen.
Diese Beeinträchtigung habe der Betroffene nur so lange hinzunehmen, so lange an den Vorgängen ein starkes öffentliches Interesse bestehe. Wenn aber – wie häufig bei einer Berichterstattung über Vorwürfe strafrechtlicher oder ähnlicher Art – das berechtigte öffentliche Interesse mit der Zeit abnehme. Das müsse insbesondere dann gelten, wenn die Vorwürfe wie hier über ein eingestelltes Ermittlungsverfahren nicht hinausgekommen seien, die Einstellung des Verfahrens zu einem Abschluss der Angelegenheit geführt habe und sie inzwischen mehrere Jahre zurückliege.
Fazit
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen muss immer mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit abgewogen werden. Das berechtigte öffentliche Interesse lässt in vielen Fällen mit der Zeit sehr stark nach, so dass die Rechte des Betroffenen mit der Zeit das öffentliche Interesse überwiegen. Es gibt demnach ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht stammendes Recht auf Vergessen.
Der Betroffene hat aber eine entsprechende Anzeigepflicht. Erst ab Kenntnis muss Betreiber eines Pressearchivs Vorkehrungen treffen, dass die entsprechenden Beiträge nicht zu einer stetig fließenden Quelle von Beeinträchtigungen persönlichkeitsrechtlicher Belange des Betroffenen werden.
Artikel als PDF speichern