EuGH:

Missbrauch von Patentverletzungsklagen bei marktbeherrschender Stellung

Ein Patentinhaber möchte natürlich gegen Verletzungen seines Patents vorgehen. Aber darf er dies immer? Gibt es insbesondere für marktbeherrschende Unternehmen im Zusammenhang mit standardessentiellen Patenten Ausnahmen? Der Europäische Gerichtshof hält jedenfalls die Möglichkeit des Missbrauchs von Patentverletzungsklagen in bestimmten Fällen für möglich.

Missbracuh Patentverletzung SEP marktbeherrschend Telekommunikation

Die Firma Huawei Technologies ist ein weltweit auf dem Telekommunikationssektor tätiges Unternehmen. Huawei ist Inhaber eines europäischen Patents, welches das Huawei beim European Telecommunication Standards Institute (ETSI) als für den „Long Term Evolution“ Standard essenzielles Patent anmeldete. Dieser Standard umfasst über 4.700 essenzielle Patente und beinhaltet die Verpflichtung Dritten Lizenzen zu FRAND Bedingungen zu erteilen.

Die ZTE-Gruppe verfügt ebenfalls über Patente die zu dem „Long Term Evolution“ Standard gehören. Die ZTE-Gruppe vertreibt in Deutschland Produkte die nach diesem Standard arbeiten und benutzt somit auch das Patent von Huawei, zahlt jedoch an diese keine Lizenzgebühren.

Daraufhin nahm Huawei die ZTE-Gruppe auf Unterlassung, Rückruf, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch, nachdem eine Einigung zwischen den Unternehmen scheiterte.

Das mit der Sache befasste Landgericht Düsseldorf legte die Sache dem EuGH vor, damit dieser zur Frage Stellung nimmt, unter welchen Bedingungen ein Unternehmen  in  marktbeherrschender  Stellung wie  Huawei diese  Stellung  dadurch  missbraucht, dass es eine Patentverletzungsklage erhebt.

Entscheidung des EuGH zum Missbrauchsvorwurf

Der EuGH (Urteil vom 16.07.2015 – Az. C-170/13) hält fest, dass die Erhebung einer Unterlassungsklage durch den marktbeherrschenden Inhaber eines standardessenziellen Patents gegen einen angeblichen Patentverletzer unter bestimmten Umständen einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung darstellen kann.

Soweit sich der Patentinhaber verpflichtet habe, Dritten Lizenzen zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen zu erteilen, müsse er vor Erhebung einer Klage auf Unterlassung und Rückruf, dem angeblichen Patentverletzer ein konkretes Lizenzangebot unterbreiten.

Der angebliche Patentverletzer habe auf ein solches Angebot sorgfältig und zeitnah zu reagieren. Lehne er das Lizenzangebot ab, könne er sich auf einen etwaigen Missbrauch des Patentinhabers im Rahmen einer Unterlassungs- oder Rückrufklage nur berufen, wenn er dem Patentinhaber ein kurzfristiges konkretes Gegenangebot entsprechend den FRAND Bedingungen unterbreite.

Im Hinblick auf Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadensersatz stünden diese dem Patentinhaber ungeachtet des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung zu, da diese Klagen keine unmittelbare Auswirkung auf die Herstellung und den Absatz von Produkten unter dem jeweiligen Standard hätten.

Fazit

Die Entscheidung gibt eine klare Handlungsanweisung an marktbeherrschende Inhaber von standardessentiellen Patenten im Falle von Patentverletzungen und wie die angeblichen Patentverletzer hierauf reagieren können.  Zwar betrifft die Entscheidung zum Missbrauch von Patentverletzungsklagen nur einen bestimmten Bereich von Patenten und nur im Zusammenhang mit einer marktbeherrschenden Stellung, allerdings macht der EuGH deutlich, dass die Verpflichtung Dritten Lizenzen zu angemessenen Bedingungen einzuräumen, ernsthaft verfolgt werden muss, was für die Wettbewerber die Chancen zur Nutzung erhöhen dürfte.

 

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Clemens Pfitzer

Rechtsanwalt . Partner
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
IT-Recht
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