Die BearShare-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (wir haben berichtet) ließ keinen Zweifel an der Tatsache, dass der abgemahnte Anschlussinhaber seinen Vortrag im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast nur glaubhaft vortragen muss, eine Beweislastumkehr aber ausdrücklich nicht stattfinden soll. Wie weit diese Darlegungslast gehen soll war seitdem – neben der Höhe eines angemessenen Lizenzschadens – immer wieder die zentrale Streitfrage. Der Bundesgerichtshof scheint dies nun etwas konkretisiert zu haben.
Der für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte drei Urteile des OLG Köln im Rahmen dreier Revisionsverfahren zu überprüfen. In allen drei Fällen wurden Ansprüche von führenden deutschen Tonträgerherstellerinnen wegen des Vorwurfs des Filesharing gegen drei verschiedene Anschlussinhaber geltend gemacht und von dem OLG Köln auch zugesprochen. Sie nahmen die Beklagten in verschiedenen Verfahren jeweils auf Schadensersatz in der Höhe von bis zu EUR 3.000,00 sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.
I.
In dem Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen I ZR 75/14 hatte der Anschlussinhaber die Richtigkeit der Ermittlungen des Softwareunternehmens bestritten. Der Ermittlungsfehler liege auf der Hand, da er sich mit seiner Familie zur angeblichen Tatzeit im Urlaub befunden habe. Vor Urlaubsantritt habe die Familie sogar den Router und Computer vom Stromnetz getrennt, so dass der Internetanschluss der Familie in deren Abwesenheit nicht benutzt werden konnte. Damit habe eine Rechtsverletzung nicht begangen werden können.
Trotzdem wurde der Anschlussinhaber antragsgemäß verurteilt. Das OLG Köln hat es nach der Vernehmung eines Mitarbeiters des Softwareunternehmens und der Familienangehörigen des Beklagten als erwiesen angesehen, dass die Musikdateien von dem Rechner des Beklagten zum Herunterladen angeboten worden sind. Dass die Familie zur fraglichen Zeit in Urlaub war, hat das Berufungsgericht den Zeugen nicht geglaubt.
II.
Auch in dem zweiten Fall mit dem Aktenzeichen I ZR 19/14 hat der Anschlussinhaber die Richtigkeit der Recherchen des Softwareunternehmens bestritten. Zwar sei zum fraglichen Zeitpunkt der Rechner, der im Arbeitszimmer des Abgemahnten installiert war, unstreitig eingeschaltet und mit dem Internet verbunden gewesen. Der Anschlussinhaber trug aber vor, dass er selbst kein Filesharing betrieben habe und seine Ehefrau und sein Sohn keine Möglichkeit dazu gehabt hätten. Seine Frau nutze zwar seinen Rechner mit, habe aber keine sog. Administrationsrechte, so dass sie einen entsprechende Filesharing-Software nicht habe installieren können. Seinem Sohn sei das vor der Nutzung des Computers einzugebende Passwort nicht bekannt gewesen.
Auch in diesem Fall wurde der Anschlussinhaber als Täter verurteilt, da es keinen Grund gäbe an den Ermittlungen zu zweifeln und kein Dritter für die Verletzung in Frage käme.
III.
In dem Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen I ZR 7/14 wurde der Internetanschluss auch von dem 16jährigen Sohn und der 14jährigen Tochter der Anschlussinhaberin genutzt. Sie gab an, Ihre Kinder über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Musiktauschbörsen belehrt zu haben. Die Tochter hatte in einer in diesem Fall durchgeführten polizeilichen Vernehmung die Verletzung zugegeben. Gegen die Verwertung des polizeilichen Geständnisses wehrte sich die Anschlussinhaberin.
Das OLG Köln hat eine Verletzungshandlung der Tochter der Beklagten als erwiesen angesehen und ist von einer Verletzung der Aufsichtspflicht der Beklagten ausgegangen, so dass die Anschlussinhaberin als Aufsichtspflichtige für die Verletzung der Tochter voll hafte.
Entscheidungen des Gerichts
Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen der Anschlussinhaber in allen drei Fällen zurückgewiesen (Pressemitteilung). In keinem der zur Entscheidung vorliegenden Fälle sei an der Richtigkeit der Ermittlungen zu zweifeln.
I.
In dem Rechtsstreit I ZR 75/14 ist das Vorbringen des Beklagten, er und seine Familie seien im Urlaub gewesen und hätten vor Urlaubsantritt Router und Computer vom Stromnetz getrennt, durch die Vernehmung der beiden Söhne des Anschlussinhabers und seiner Ehefrau nicht bewiesen worden. Der Beklagte sei für die Verletzungshandlung daher als Täter verantwortlich, da er nicht dargelegt habe, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzungen in Betracht kommen. Damit greife weiter die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses ein.
II.
Das Berufungsgericht sei in dem zweiten Fall außerdem zutreffend davon ausgegangen, dass eine theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen Fehler vorkommen könnten, nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse spreche. Dazu bedürfe es im Einzelfall die Darlegung konkreter Umstände, welche gegen die Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses sprechen. Ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle reiche – wie in dem zum Geschäftszeichen I ZR 19/14 geführten Rechtsstreit eingewandt – insoweit nicht.
III.
In dem Verfahren I ZR 7/14 hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Tochter der Beklagten die Verletzungshandlung begangen habe. Dies ergab die polizeiliche Vernehmung und die Befragung der Tochter bei Gericht. Dabei sei die Tochter jeweils über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ordnungsgemäß belehrt worden. Die Beklagte sei für den durch die Verletzungshandlung ihrer damals minderjährigen Tochter verursachten Schaden verantwortlich.
Zwar genügten Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolge, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verböten. Das Berufungsgericht habe im Streitfall aber nicht feststellen können, dass die Beklagte ihre Tochter entsprechend belehrt habe. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Kinder allgemeine Regeln zu einem „ordentlichen Verhalten“ aufgestellt haben mag, reiche insoweit nicht aus.
Bei der Bemessung des Schadensersatzes in Form der Lizenzanalogie sei das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei von einem Betrag von EUR 200,00 für jeden der insgesamt 15 in die Schadensberechnung einbezogenen Musiktitel ausgegangen. Das Berufungsgericht habe schließlich mit Recht auch einen Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten angenommen und dessen Höhe auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechnet.
Fazit
Die Urteile des Bundesgerichtshofes liegen noch nicht vor, so dass nur eine vorläufige Bewertung vorgenommen werden kann. In jedem Fall wird man sagen können, dass der BGH einen Lizenzwert pro Musiktitel von EUR 200,00 für angemessen erachtet.
Ob sich die Anforderungen an die vom Anschlussinhaber zu leistende sekundäre Darlegungslast etwas verschärft haben, ist ohne Urteilsbegründung nicht zu klären. Schließlich war der BGH auch schon vorher der Auffassung, dass die tatsächliche Vermutung, dass der Anschlussinhaber auch der Täter ist, nur dann wiederlegt ist, wenn dargelegt werden konnte, dass zumindest ein Dritter zum Verletzungszeitpunkt Zugriff auf den Anschluss des Abgemahnten hatte. Auch müssen die Darlegungen natürlich glaubhaft sein, was sie in dem Falle, bei dem sich die Familie im Urlaub befunden haben soll, offensichtlich nicht waren.
Es scheint nach den Entscheidungen für Anschlussinhaber aber offenbar nötig zu sein, die sekundären Darlegungen zu beweisen, wenn das Gericht im Einzelfall dem Vortrag des einzelnen Anschlussinhabers keinen Glauben schenkt. Nachdem die Urteile vollständig vorliegen, werden wir unsere diesbezüglichen Ausführungen ergänzen.
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