Verdeckte Filmaufnahmen sind in der deutschen Fernsehlandschaft mittlerweile ein übliches Mittel um Missstände aufzudecken und der Öffentlichkeit bekannt zu machen. In der Schweiz führte ein solches Vorgehen vierer Journalisten zu einer strafrechtlichen Verurteilung, mit deren Rechtmäßigkeit sich der EGMR zu beschäftigen hatte.
Grund der Verurteilung war ein Bericht der Schweizer Sendung „Kassensturz“ aus dem Jahr 2003. Der Bericht zeigte ein mit versteckter Kamera gefilmtes Gespräch zwischen einem privaten Versicherungsberater und einer Kundin. Das Gesicht des Versicherungsberaters wurde verpixelt und die Stimme verfälscht. Zweck des Beitrags war die Aufdeckung der mangelhaften Beratung in der Versicherungsbranche. Die vier Journalisten wurden 2008 von dem Schweizer Bundesgericht mit einer Geldstrafe belegt.
Entscheidung des Gerichts
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Urteil v. 24.02.2015 – 21830/09 in Französischer Sprache, Pressemitteilung auf Englisch) sah in der strafrechtlichen Verurteilung einen Verstoß gegen die Meinungsäußerungsfreiheit der Journalisten aus Art. 10 EMRK. Dies ergebe eine Interessenabwägung zwischen der Meinungsfreiheit der Journalisten und des Rechts des Versicherungsberaters auf Achtung seiner Privatsphäre aus Art. 8 EMRK.
Das Thema des Berichts, die niedrige Beratungsqualität privater Versicherungsberater und der damit einhergehende unzureichende Schutz von Verbraucherrechten sei Gegenstand einer hochrelevanten öffentlichen Debatte. Darüber hinaus habe sich der Bericht nicht auf den Versicherungsberater als Person konzentriert, sondern spezielle Geschäftspraktika innerhalb einer bestimmten Berufsgruppe aufgezeigt. Das Recht des Versicherungsberaters, der nach Auflösung der Situation eine Stellungnahme verweigert hätte, sei dagegen nur in geringerem Maße betroffen, da Gesicht und Stimme unkenntlich gemacht und er außerhalb seiner Geschäftsräume gefilmt wurde, und das Filmunternehmen sorgfältig recherchiert und gemäß den Vorgaben des Schweizer Presserats gehandelt habe. Die Richtigkeit der Berichterstattung sei zudem nie bestritten worden.
Darüber hinaus sei zwar die durch das Bundesgericht verhängte Geldstrafe relativ gering gewesen, dennoch sei sie geeignet Medien in Zukunft von einer kritischen Berichterstattung abzuhalten auch wenn in diesem Fall die Beschwerdeführer ihre Dokumentation trotzdem ausgestrahlt hätten.
Fazit
In Deutschland wird das Persönlichkeitsrecht nicht berührt, sofern die Person nicht erkennbar ist. Dennoch hat die Entscheidung auch für deutsche Medienunternehmen große Relevanz, soweit diese beabsichtigen, Filmaufnahmen in der Schweiz herzustellen, und hat nunmehr auch dort die Rechtssicherheit verbessert.
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