OLG Dresden:

Unterlassung eines politischen Boykottaufrufs auf Twitter?

Im Wahlkampf zwischen politischen Parteien wird oft mit Polemik oder Sarkasmus gearbeitet. Das OLG Dresden hatte nun im Rahmen des sächsischen Landtagswahlkampfes zu entscheiden, wo die Grenzen liegen.

Ein Politiker der Grünen hatte über seinen privaten Twitter-Account mit folgenden Worten zu einem Boykott des, vom sächsischen AfD-Vorstand geführten Friseursalons aufgerufen:

AFD„Ab sofort empfehle ich, nicht mehr zum Friseur G. in #Leipzig zu gehen. Inhaber ist ein #AFDler. Man weiß nie, wo die Schere ansetzt.“

Er selbst löschte die Nachricht etwas später, wie wurde aber von anderen Usern weiter verbreitet. Der Inhaber des Friseursalons sah sich durch die Äußerung in seinen Rechten verletzt und klagte vor dem LG Leipzig auf Unterlassung wegen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, Kreditgefährdung, sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung, aus Wettbewerbsrecht sowie aus Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dieses verurteilte auf Politiker zur Unterlassung. Diese Entscheidung wurde vom OLG Dresden im Rahmen des Berufungsprozesses nun aufgehoben.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Dresden (Urteil v. 05.05.2015 – Az.: 4 U 1676/14) sah die beanstandete Äußerung unter allen Aspekten als zulässig an.

Ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wegen eines Boykottaufrufs scheitere aufgrund der gebotenen Interessen- und Güterabwägung zwischen dem Zweck und den Mitteln des Aufrufs einerseits und den kollidierenden Interessen des Betroffenen.

Da der Beklagte, ein Politiker und Rechtsanwalt, und der klagende Friseur nicht im Wettbewerb miteinander stünden, scheide ein Handeln im Eigeninteresse aus. Hintergrund der Äußerung sei vielmehr der Landtagswahlkampf, bei der beide Beteiligte als Kandidaten ihrer Parteien aufgetreten sind. Ziel der Mitteilung sei daher gewesen, den Kläger bei Sympathisanten des Lagers des Beklagten zu diskreditieren, wobei ohnehin fraglich sei, ob diese Wirkung nicht bereits durch die Kandidatur des Klägers für die AfD eingetreten sei.

Auch sei die Äußerung auf den reinen „Appell“ beschränkt gewesen, die Dienstleistungen des Klägers wegen seiner politischen Ausrichtung nicht mehr in Anspruch zu nehmen.

Auch für den dritten Äußerungsteil „Man weiß nie, wo die Schere ansetzt.“ wurde eine Verletzung am Recht des Gewerbebetriebes abgelehnt. Es handele sich dabei um eine von Art. 5 I GG gedeckte Meinungsäußerung des Beklagten, mit der er eindeutig nur Distanz und Kritik an der politischen Ausrichtung und geistigen Haltung der AFD äußern wollte, und nicht die Tätigkeit des Klägers als Friseur kritisieren wollte.

Für die Deutung maßgeblich sei vorliegend auf einen politisch interessierten Leser abzustellen, der den Blog des Beklagten als Informationsquelle im Rahmen des Landtagswahlkampfes nutze und nicht auf einen Internet-Nutzer, der sich über die Qualität der in Leipzig ansässigen Friseure informieren wolle.

Für diesen Leser sei erkennbar, dass es darum gehe die AfD und ihre Kandidaten mit Mitteln des Sarkasmus und der Häme herabzusetzen und lächerlich zu machen. Solche überspitzen Äußerungen in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner gehörten zu den Grundformen eines Wahlkampfes und sei daher vom Schutzbereich des Art. 5 I S. 1 GG umfasst.

Das Gericht lehnte auch eine Unterlassung aufgrund Kreditgefährdung oder sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung ab, da es sich unstreitig um eine wahre Tatsachenbehauptung bzw. um eine zulässige Meinungsäußerung handele. Mangels Wettbewerbsverhältnisses bestünden auch keine Unterlassungsansprüche des Klägers nach dem UWG.

Ebenso lehnte es eine auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützte Verletzung des Klägers ab, da hier das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit das Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiege, für das im politischen Bereich ein erheblich herabgesetzter Schutz gelte.

Fazit

Das OLG Dresden räumte der Meinungsfreiheit mit seinem Urteil einmal mehr einen hohen Stellenwert ein und stellt sicher, dass auch weiterhin Politiker im Wahlkampf auch negative, polemische oder sarkastische Äußerungen gegenüber Kontrahenten tätigen können ohne mit rechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen.

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