OLG München:

Schiedsklausel in Athletenvereinbarung unwirksam

Gegen Claudia Pechstein wurde 2009 vom Weltverband ISU eine 2-jährigen Sperre wegen Dopings verhängt, obwohl eine positive Probe nicht vorlag. Die später vom Internationalen Sportgerichtshof CAS bestätigte Sperre wurde alleine mit zu hohen bzw. schwankenden Retikulozyten-Werten begründet, die nach Ansicht von Verband und Gerichtshof nur durch Doping zu erklären seien. Der Beweis des Gegenteils ist Pechstein seinerzeit nicht gelungen.

vlad09 / Shutterstock.com
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Daraufhin hat Claudia Pechstein den Weltverband vor dem LG München auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Aufgrund des Berufsausübungsverbots habe sie einen Schaden von rund 4,4 Mio. Euro erlitten. Die verhängte Sperre sei rechtswidrig gewesen, weil die schwankenden Blutwerte auf eine erblich bedingte Anomalie zurückzuführen seien, was ein Gutachten belege.

Schon das LG München erachtete die Athletenvereinbarung zwischen Pechstein und dem Weltverband ISU, wonach diese sich im Falle von Auseinandersetzungen der Schiedsgerichtsbarkeit des CAS unterwerfen muss, wegen Verstoßes gegen zwingendes Kartellrecht für unwirksam.  Da der Einspruch gegen die Sperre aber faktisch vor dem CAS geführt wurde, sah sich das erstinstanzliche Gericht an dessen Entscheidung gebunden.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG München hat diese Entscheidung nunmehr mit Zwischenurteil vom 15.01.2015 (Az. U 1110/14 Kart.) gekippt. Nach Ansicht des Gerichts ist nicht nur die Schiedsgerichtsklausel aus kartellrechtlichen Gründen unwirksam, sondern auch der Ausspruch des CAS nicht anerkennungsfähig. Das Verlangen der Schiedsvereinbarung als Voraussetzung für die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen sei in dem konkreten Fall als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung des Weltverbandes anzusehen. Aufgrund des im Sportverbandswesen herrschenden Ein-Platz-Prinzips komme diesem nämlich eine Monopolstellung bei der Ausrichtung von internationalen Wettkämpfen zu.

Die Verbände haben den Ausführungen des Gerichts zufolge hinsichtlich der Besetzung des Schiedsgerichts ein „strukturelles Übergewicht“, weil aufgrund ihres Einflusses auf die Besetzung des Gerichts die Möglichkeit besteht, dass die Schiedsrichter mit Blick auf den zu entscheidenden Fall und der betroffenen Person ausgewählt werden. Dadurch sei das Vertrauen des Rechtssuchenden in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit des Schiedsgerichts erschüttert.

Über den Schadensersatzanspruch selbst hat das Gericht aus prozessökonomischen Gründen noch nicht entschieden. Zunächst wurde die Revision gegen das Zwischenurteil zum BGH zugelassen, die der Verband auch umgehend angekündigt hat. Sollte der BGH das Urteil des OLG München bestätigen, würde anschließend über den Schadensersatzanspruch verhandelt. Im Rahmen dieses Verfahrens wäre dann die ISU aufgerufen, den Dopingvorwurf zu beweisen, um die Sperre zu rechtfertigen. Sofern dies nicht gelingt, ist der Weg frei für den Ersatz des Schadens, den Pechstein durch die Sperre erlitten hat. Ihren eigenen Berechnungen zufolge beläuft sich dieser auf rund 4,4 Mio. Euro.

Fazit

Das Urteil lässt aufhorchen, weil es die  Selbstverständlichkeit klarstellt, dass auch sportrechtliche Streitigkeiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterliegen, soweit allgemeingültiges Recht und nicht nur verbandsinterne Sportregeln mit Sportbezug betroffen sind. Die Rechtssetzungsbefugnis der Sportverbände findet dort ihre Grenze, wo es nicht mehr um die Regelung der Sportausübung als solche geht. Sport spielt sich demnach nicht in einem rechtlichen Vakuum ab, sondern unterliegt denselben Regeln, wie sonstige wirtschaftliche Betätigungen auch. Die Entscheidung – sofern sie denn vom BGH bestätigt wird – ist unbedingt zu begrüßen, weil sie die Rechte von Sportlern stärkt, die im Streitfall unabhängige staatliche Gericht mit ihrer Angelegenheit befassen können.

Die Entscheidung könnte einen gewichtigen Einschnitt in das Sportverbandswesen und damit den Sport allgemein darstellen. Bei fast allen Sportverbände finden sich nämlich mehr oder weniger massive Kartellrechtsverstöße in den Regularien, die in Zukunft möglicherweise leichter angreifbar sind. Negatives Musterbeispiel für höchst fragwürdige Regeln ist z.B. die FIS – siehe hierzu unseren Beitrag vom 16.10.2014.

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Dr. Markus Wekwerth

Rechtsanwalt
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
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