Professionelle Skisportler rund um den Erdball haben sich über die Athletenvereinbarung den Regeln ihres internationalen Verbands FIS zu unterwerfen, um eine Startlizenz zu bekommen und ihren Beruf ausüben zu können. Insofern ein normaler Vorgang, der für eine geordnete Durchführung von Sportwettkämpfen notwendig ist. Der Inhalt dieser Regeln allerdings gibt Anlass, einmal (mehr) über deren Angemessenheit und Gesetzeskonformität nachzudenken.
Das maßgebliche Regelwerk der FIS findet sich in der Internationalen Skiwettkampfordnung (IWO). Diese enthält neben den allgemeinen Wettkampfregeln u.a. die Voraussetzungen, die von den Athleten zu erfüllen sind, um an internationalen und nationalen Wettkämpfen teilnehmen zu können. Der Sportler wird im Rahmen der Athletenvereinbarung mit seinem nationalen Verband auf diese Regeln verpflichtet. Dort heißt es u.a. wie folgt (Art. 204.1):
„Ein Nationaler Skiverband darf innerhalb seiner Struktur einen Wettkämpfer weder unterstützen oder anerkennen, noch ihm eine Lizenz zur Teilnahme an FIS oder nationalen Rennen ausstellen, wenn er […] die individuelle Ausnützung seines Namens, Titels oder persönlichen Bildes für Werbung erlaubt hat, ausgenommen wenn der betreffende Nationale Skiverband – oder dessen Pool – hierfür einen Vertrag betreffend Förderung, Ausrüstung oder Werbung abgeschlossen hat.“
Ferner (Ziff. 206.8 / 206.9):
„Ein Nationaler Skiverband oder dessen Pool kann Verträge mit einer kommerziellen Firma oder Organisation abschliessen betreffend Förderung, Ausrüstung und Werbung, wenn die betreffende Firma oder Organisation von dem Nationalen Skiverband als offizieller Lieferant oder Förderer anerkannt ist. […] Jede Entschädigung gemäß solchen Verträgen darf ausschließlich an den Nationalen Skiverband oder dessen Pool gehen, der diese Entschädigungen entsprechend den jeweiligen Vorschriften des Nationalen Skiverbandes erhält und verwaltet. Kein Wettkämpfer darf direkt einen Anteil von dieser Entschädigung erhalten, außer dem, der unter Art. 205.6 aufgeführt ist. Die FIS kann jederzeit eine Kopie eines solchen Vertrages anfordern.“
Und schließlich (Art. 205.6):
„Ein Wettkämpfer, der durch seinen Nationalen Skiverband bei der FIS zur Teilnahme an FIS Rennen eingeschrieben ist, darf erhalten: volle Entschädigung für Reisen zu Trainings- und Wettkampforten, volle Vergütung für den Unterhalt während des Trainings und Wettkampfes, Taschengeld, Entschädigung für Verdienstausfall gemäss den Beschlüssen seines Nationalen Skiverbandes, soziale Sicherheit einschliesslich Versicherung für Training und Wettbewerb, Stipendien.“
Wer das liest und versteht, fragt sich zu recht, ob das wohl ernst gemeint und vor allem rechtskonform sein kann. Zusammengefasst steht da, dass der einzelne Athlet keine eigenen (Sponsoring-) Verträge schließen kann und aus den Verträgen, die der nationale Skiverband für ihn schließt, lediglich Entschädigungsleistungen erhalten darf. Dabei muss man sich verdeutlichen, dass die meisten Athleten von ihrem nationalen Verband als selbstständige (!) Unternehmer behandelt werden, also keinerlei Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden. Ein Unternehmer, der selbst keine unternehmensbezogene Verträge schließen kann?
Genau. Die vorstehenden Regelungen bedeuten letztlich, dass im professionellen Skisport ein Individualsponsoring nicht möglich ist – und zwar weltweit und unabhängig davon, ob es um die Vermarktung des Sportlers oder der Person geht. Eine solche Vermarktung kann und darf nach den Vorstellungen der FIS nur der nationale Verband vornehmen und auch nur dieser darf hierfür ein Entgelt erhalten. Der Athlet dagegen darf im Grunde aus solchen ihn bzw. seine Person betreffenden Verträgen nur eine Entschädigung und das erhalten, was er unbedingt zum Leben braucht. Von einem Einkommen bzw. Gewinn ist nicht die Rede. Ein Unternehmer ohne Möglichkeit der Gewinnerzielung? Auch das. Mehr noch: werden diese Regeln nicht eingehalten, darf der Athlet keine Lizenz erhalten und nicht an offiziellen Wettkämpfen teilnehmen. Etwaige bestehende Lizenzen sind notwendig einzuziehen. Das kommt einem Berufsausübungsverbot gleich, dass immer dann greift, wenn der Sportler als Unternehmer versucht, unternehmerisch tätig zu sein.
Dass dieses Regelwerk so nicht zulässig sein kann, liegt – jedenfalls für Juristen – auf der Hand. Das Problem sind damit verbundene, ganz massive Wettbewerbsbeschränkungen, die keinerlei Rechtfertigung in sportlichen Zielsetzungen finden. Aus welchem sportlichen Grund nämlich sollte ein Athlet seine Person nicht selbst vermarkten können? Die aus der Verbandsautonomie resultierende Rechtssetzungsbefugnis ist damit bei Weitem überschritten, zumal es auch mit allen juristischen Anstrengungen schwer fällt, eine gesetzeskonforme Auslegung dieser Regeln zu finden. Zu eindeutig ist der Wortlaut.
Die Regelungen der FIS bedeuten letztlich, dass der einzelne Sportler lediglich Werkzeug des (nationalen) Verbands ist, weil ihm nach der Konzeption der IWO überhaupt keine Möglichkeit mehr bleibt, die für ihn so wichtigen Vermarktungsrechte am Markt anzubieten – er muss diese an den Verband übertragen und kann selbst auch keine Verträge mehr schließen. Dadurch kommt der Wettbewerb zwischen den verbandsangehörigen Sportlern – weltweit! – vollständig zum Erliegen, obwohl deren Vermarktungsleistungen (Werbeflächen / Persönlichkeit) einer starken und vor allem leistungs- und persönlichkeitsbezogenen Nachfrage unterliegen. Einziger verbleibender „Wettbewerber“ ist damit der nationale Verband, der über ein faktisches Monopol verfügt.
Da der einzelne Verband auf diese Weise eine Vielzahl von Sportlern mit demselben Vertragswerk kontrolliert, liegt ein sogenannter Sternvertrag vor, der der Kontrolle des Wettbewerbsverhaltens der gesamten nachgelagerten Marktstufe (Sportler) dient. Und auch der Nachfragemarkt (Sponsoren) wird in der Folge vom Verband beherrscht. Zum einen haben von vornherein nur die (zahlenden) Kooperationspartner des Verbands überhaupt eine Chance, Vermarktungsrechte der begehrten Sportler in Anspruch nehmen zu können, weil diese am Markt nicht frei verfügbar sind. Dies wäre in einem funktionierenden Wettbewerb anders. Zum anderen bleibt der Nachfrageseite für die nachgefragten Leistungen nur noch ein Ansprechpartner: der Verband. Dieser sichert sich so mit Hilfe der FIS-Regeln ein absolutes Monopol in seinem Sportbereich und damit eine markbeherrschende Stellung, die regelmäßig auch dazu missbraucht wird, einzelne Sportler und Sponsoren durch willkürliche Vertragsbedingungen zu übervorteilen. Das eigentliche Problem liegt aber darin, dass der aufgrund des im Verbandsrecht herrschenden Ein-Platz-Prinzips per se marktbeherrschende Verband von beiden Marktseiten Vertragsbedingungen fordert und auch bekommt, die in einem wirksamen Wettbewerb so wohl kaum möglich wären.
Schließlich sind die vorstehenden Wettbewerbsbeschränkungen auch nicht freistellungsfähig, weil ihnen sämtlich eine sportspezifische Zielsetzung fehlt. Im Gegenteil: die Verbände folgen rein wirtschaftlichen Erwägungen und schädigen damit die Sportler und die Verbraucher (= Sponsoren) gleichermaßen.
Freilich gibt es massive Unterschiede in der praktischen Umsetzung der FIS-Regeln durch die nationalen Skiverbände. Während man in Deutschland beim DSV bemüht ist, im wohlverstandenen Interesse der Athleten eine liberale Auslegung zu finden und zu leben, nutzen andere Verbände die ohnehin schon rechtswidrige Lage voll zu ihren Gunsten aus, um ihre Interessen auf dem Rücken der Athleten durchzusetzen. Oft geht es dabei um Macht, Geld, Vetternwirtschaft, persönliche Befindlichkeiten und alles andere, nur nicht um den Sport und schon gar nicht um die Sportler. „Fair Play“ sieht definitiv anders aus.
Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die FIS-Regeln in dem angesprochenen, für die Athleten äußerst wichtigen Punkt der Individualvermarktung, jedenfalls in Europa gegen geltendes Kartellrecht verstoßen und damit nichtig sind. Einzig das faktische Monopol der FIS und der nationalen Verbände und das damit verbundene Drohpotential haben bislang verhindert, dass das Thema juristisch aufgearbeitet wurde. Dies könnte sich in Zukunft ändern, wenn sich eine kritische Masse von Athleten oder auch Industrieunternehmen zusammenfindet, um das FIS-Reglement anzugreifen. Das könnte in Europa z.B. so aussehen, dass das aus der FIS, den Verbänden der 28 Mitgliedsstaaten und auch den jeweiligen Verbandssponsoren bestehende Kartell offiziell bei der Europäischen Kommission angezeigt wird. Dabei sind dann aufgrund der Kronzeugenregelung (Straffreiheit für den Whistleblower) alle Beteiligten gut beraten, dabei in der ersten Reihe mitzuwirken. Dies gilt gleichermaßen für die Athleten. Streng genommen sind diese nämlich – wenngleich zwangsweise – Mitglied des Kartells.
In diesem Sinne: Athlets – fight for your rights!
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