(Arzt-) Bewertungsportalen wird vielfach eine hohe Anfälligkeit für Missbrauch und nachgesagt, weil die Bewertung weitgehend anonym erfolgen kann. Überdies sehen sich die Bewertungen dem Verdacht ausgesetzt, nicht repräsentativ zu sein, weil tendenziell eher unzufriedene Kunden bzw. Patienten Bewertungen vornehmen, was die Aussagekraft massiv zu Lasten des betroffenen Arztes verzerren kann. Auf Veranlassung eines Arztes hatte der BGH nun zu entscheiden, ob dieser die Löschung seiner Daten bei jameda.de verlangen kann.
Bei jameda.de werden – wie bei anderen Bewertungsportalen auch – die berufsbezogenen Daten des Arztes veröffentlicht und den Patienten die Möglichkeit gegeben, diesen sowie seine Praxis und seine Leistungen zu bewerten. Dies alles erfolgt ungefragt, also ohne vorherige Zustimmung des betroffenen Arztes. Problematisch hieran ist in der Praxis, dass eine Bewertung auch anonym vorgenommen werden kann, diese nicht unbedingt von einem echten Patienten stammen muss und negative Bewertungen erhebliche Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen des Betroffenen haben können. Dem Nutzer werden die Bewertungen dagegen als objektives Entscheidungskriterium präsentiert, was u.U. die Arztwahl entscheidend beeinflussen kann. Statt sich mit dem Angriff auf einzelne Bewertungen zu begnügen hat ein Gynäkologe daher versucht, Jameda auf Löschung seiner Daten und damit aller Bewertungen in Anspruch zu nehmen. Die Vorinstanzen haben einen solchen Anspruch abgelehnt, weshalb nun der BGH in der Revisionsinstanz über die Richtigkeit dieser Entscheidungen zu befinden hatte.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht hat einen solchen Löschungsanspruch in seinem Urteil vom 23.09.2014 (Az. VI ZR 358/13) ebenfalls abgelehnt. Zwar erkennen die Richter die vorgenannten Schwachstellen des Systems und bewerten diese auch im Rahmen der gebotenenen Abwägung. Nach der Auffassung des Gerichts überwiege das Recht des Betreibers des Bewertungsportals auf Kommunikationsfreiheit aber das Recht des Arztes auf informationelle Selbstbestimmung, also des Rechts, zu bestimmen, ob, wann, wo und wie seine Daten veröffentlicht werden. Im Rahmen der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen sei letztlich dem Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen der Vorzug zu geben. Vor dem Hintergrund der freien Arztwahl haben die dargebotenen Informationen eine erhebliche Bedeutung, die die Nachteile überwiegen.
Entscheidend für den Richterspruch war auch, dass der Arzt lediglich in seiner „Sozialsphäre“ betroffen wird, also einem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein in der Öffentlichkeit abspielt. Mit anderen Worten: wer sich (beruflich) in die Öffentlichkeit begibt, muss nach der Auffassung des Gerichts damit leben, dass er dort auch wahrgenommen wird und seine Leistungen bewertet bzw. kritisiert werden. Die gegebenen Möglichkeiten zur Beanstandung und Beseitigung unwahrer Tatsachenbehauptungen und beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen böten demgegenüber ausreichenden Schutz. Auch die Tatsache, dass die Bewertungen anonym abgegeben werden können, ändere hieran nichts, da die Möglichkeit zur anonymen Nutzung dem Internet immanent sei.
Fazit
Das Urteil mag in sich schlüssig und auch zutreffend sein. Meines Erachtens wird dabei allerdings der tatsächliche Umfang der Unzulänglichkeiten von anonymen Bewertungssystemen und das faktische Ausmaß des Missbrauchs viel zu wenig berücksichtigt. Zwar bestehen die vom Gericht angedeuteten Möglichkeiten der Gegenwehr gegen einzelne Bewertungen. Die Praxis zeigt aber, dass diese vor allem bei gezielten Attacken ebenso unzulänglich – weil aufwändig – sind wie das Bewertungssystem selbst.
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