Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt hat in einer jüngst ergangenen Entscheidung die geltende BGH-Rechtsprechung außer Kraft gesetzt und eine Mutter im Rahmen der Störerhaftung für das Anbieten eines Computerspiels im Internet verurteilt, da der Richter der Überzeugung war, die Anschlussinhaberin habe die Internetnutzung ihres Sohnes beaufsichtigen müssen.
Das AG Stuttgart-Bad Cannstatt hatte eine Filesharing-Klage zu entscheiden, bei dem die Kanzlei Nimrod Rechtsanwälte Bockslaff und Scheffen GbR aus Berlin für ihre Mandantin Astragon Software GmbH die Bezahlung von außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in der Höhe von EUR 1.157,00 für eine Filesharing Abmahnung aus dem Mai 2013 sowie einen Lizenzschadensersatz für die mehrfache illegale Bereitstellung des Computerspiels „Landwirtschaftsimulator 2013“ in der Höhe von mindestens EUR 510,00 beantragte.
Nach der Überzeugung des Gerichts hatte die Anschlussinhaberin glaubhaft vorgetragen, zu den Verletzungszeitpunkten überwiegend nicht zu Hause gewesen zu sein und ihren Computer ausgeschaltet gehabt zu haben. Die alleinerziehende Mutter eines 16 jährigen Sohnes war zum Zeitpunkt einer der beanstandeten Verletzungshandlungen sogar im Urlaub.
Der zugriffberechtigte Sohn war zum Zeitpunkt der ermittelten Verletzungshandlungen größtenteils zu Hause. Die Anschlussinhaberin glaubte aber nicht an die Schuld ihres Sohnes und teilte dies dem Gericht auch so mit. Insbesondere hatte sie Ihren Sohn ausdrücklich angewiesen, keine illegalen Downloads über ihren Anschluss vorzunehmen, was unstreitig blieb.
Der Richter brachte während der Verhandlung zum Ausdruck, dass er auch angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Tauschbörsenangebot um ein Computerspiel handele, nicht von einer Täterschaft der Mutter ausgehe. Er stellte er aber fest, die Mutter sei naiv wenn sie glaube, dass ihr Sohn die Verletzung nicht begangen habe. Sein eigener Sohn habe ebenfalls ohne sein Wissen Filesharing betrieben und er habe es dann bezahlen müssen. Er deutete daraufhin an, dem Antrag der Astragon Software stattzugeben, gewährte unserer Mandantschaft aber eine Schriftsatzfrist.
Auch die Vorlage und ausführlichen Besprechung der geltenden BGH-Rechtsprechung – Az. I ZR 169/12 (wir haben berichtet) konnte das Gericht aber nicht überzeugen.
Entscheidung des Gerichts
Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt verurteilte die Anschlussinhaberin mit Urteil vom 28.08.2014 – Az. 2 C 512/14 – als Störerin wegen des Anbietens urheberechtlich geschützter Software im Internet durch ihren Sohn zu der Bezahlung von Abmahngebühren in der Höhe von EUR 155,29. Daneben verurteilte das Gericht die Anschlussinhaberin zur Bezahlung einer Quote von 7% der durch das Gerichtsverfahren entstandenen Kosten.
Die Mutter sei nach Ansicht des Gerichts für die Verletzung ihres Sohnes – dessen Täterschaft im Verfahren keinesfalls bewiesen noch schlüssig dargestellt wurde – verantwortlich, da sie diesem ohne Aufsicht Zugriff auf das Internet ermöglicht habe!
Die massive Reduzierung der geforderten Rechtsanwaltsgebühren begründete das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt mit einer zum Zeitpunkt der Abmahnung noch nicht gültigen Rechtsnorm des deutschen Urheberrechts (§ 97a Absatz 3 UrhG), welche den außergerichtlichen Streitwert auf EUR 1.000,00 beschränkt und damit eine – rechtlich falsche – Reduzierung der geschuldeten Gebühren ergab.
Fazit
Das Gericht setzt sich mit vorliegendem Urteil über das erst dieses Jahr ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs (I ZR 169/12) hinweg, in dem der BGH entschieden hat, dass der Inhaber eines Internetanschlusses grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen
oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten. Wenn für die Mutter keine Überwachungspflicht bestand, dann durfte sie auch nicht als Störerin verurteilt werden, insbesondere nicht mit der vom Amtsgericht gewählten Begründung.
Durch die rechtsfehlerhafte Anwendung einer zum Zeitpunkt der Abmahnung noch nicht bestehenden Norm, hat das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt die Kosten für die Mutter massiv reduziert, ihr gleichzeitig aber auch die Möglichkeit genommen, gegen die falsche Entscheidung Berufung einzulegen, da der Wert des Beschwerdegegenstandes die gesetzlich normierten EUR 600,00 nicht erreicht. Für Astragon ist die Einlegung des Rechtsmittels aber möglich, da der Computerspiele Hersteller der Höhe nach 93% seiner Klage verloren hat.
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