Der Aufruf ein Unternehmen zu boykottieren ist in der Regel nicht nur wettbewerbswidrig, sondern auch ein rechtswidriger Eingriff in den Geschäftsbetrieb des Betroffenen. Aber gibt es auch Fälle in denen ein Boykottaufruf zulässig sein kann? Der Bundesgerichtshof meint ja.
2011 wurde ein „Routenplaner-Service“ im Internet von einer Firma angeboten. Meldete man sich hierzu an, schlossen die Nutzer angeblich einen kostenpflichtigen Vertrag mit der Firma in Höhe von EUR 96,- pro Jahr. Es handelte sich also wohl um eines der leider vielfach verbreiteten Abzockmaschen im Internet.
Einer der geschädigten wandte sich an die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, die für den Geschädigten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung geltend machte. Hiervon unbeeindruckt ergingen weitere Mahnungen durch ein Inkassounternehmen.
Die Verbraucherzentrale wandte sich daher mit nachfolgendem Text an die Sparkasse Heidelberg, wo das Inkassounternehmen sein Konto unterhielt.
„Das Unternehmen W. Ltd. betreibt mindestens eine Internetseite, bei der durch die Gestaltung der Seite die Fehlvorstellung erweckt wird, die Nutzung der Inhalte auf dieser Internetseite erfolge kostenlos. Der Preishinweis ist versteckt. Als Nutzer bemerkt man nicht, dass man angeblich eine kostenpflichtige Mitgliedschaft für ein Abonnement vertraglich vereinbart.
Mittlerweile wurde bereits das Inkassounternehmen D. GmbH mit dem Inkasso der unberechtigten Forderung beauftragt. Zu Beweiszwecken senden wir Ihnen in der Anlage die uns zugesandten unberechtigten Rechnungen/Mahnungen mit den rechtswidrigen Zahlungsaufforderungen. Eine für den angeblichen Jahresbeitrag i.H.v. 96,00 € entsprechende Gegenleistung wird nicht erbracht.
Derartige Internetseiten sind rechtswidrig. Das Handeln der Internetseitenbetreiber ist offenkundig wettbewerbswidrig. Der Tatbestand des Betrugs ist erfüllt. Bitte kontaktieren Sie auch die zuständige Staatsanwaltschaft, ob möglicherweise bereits entsprechende Anzeigen oder Verfahren gegen das genannte Unternehmen vorliegen, die unseren Hinweis untermauern.
Da für Bankinstitute, wie bereits mehrfach gerichtlich festgestellt, keine Kontoführungspflicht für Girokonten von unseriösen Internetunternehmen und ihren Handlangern/Gehilfen besteht, bitten wir Sie um Ihre Mithilfe. Tragen auch Sie dazu bei, den finanziellen Schaden der Opfer zu begrenzen. Kündigen und sperren Sie das Konto der D. GmbH.“
Hiergegen wandte sich das Inkassounternehmen, da es hierin einen unzulässigen Aufruf zum Boykott sieht.
Entscheidung des Gerichts
Der BGH (Urteil vom 06.02.2014 – Az. I ZR 75/13) erteilte dem Inkassounternehmen eine Absage und entschied zugunsten der Verbraucherschützer.
Es liege vorliegend kein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbebetrieb des Inkassounternehmens vor. Zwar liege in dem Boykottaufruf ein Eingriff vor, allerdings sei dieser nicht rechtswidrig.
Rechtswidrig sei eine Behinderung der Erwerbstätigkeit nur dann, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der zum Boykott aufrufenden Seite überwiege. Vorliegend falle diese Interessenabwägung zugunsten der Verbraucherschützer aus. Bei dem Aufruf der Verbraucherschützer handele es sich um eine grundgesetzlich geschützte Meinungsäußerung.
Der Aufruf beinhalte auch keine (unwahren) Tatsachenbehauptungen, da subjektive Ausführungen zur Rechtslage als Meinungsäußerung und nicht als Tatsachenbehauptung einzuordnen seien. Im Übrigen wären die Behauptungen wohl auch nicht unwahr, da das Inkassounternehmen nicht bestritten habe, dass das Angebt zum „Routenplaner-Service“ irreführend gewesen sei.
Fazit
Da sich vorliegend der Boykottaufruf gegen ein rechtswidriges und womöglich betrügerisches Geschäftsmodell richtete, ist die Entscheidung im Ergebnis in Ordnung. Allerdings darf es sich hierbei nur um eine Ausnahme vom Verbot zu Boykottaufrufen handeln. Insbesondere wenn dies unter Unternehmen geschieht, sollte dies weiterhin verboten bleiben, da man unliebsame Konkurrenz ansonsten auch mit solch subjektiven Meinungsäußerungen in den Bankrott treiben könnte.
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