Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs sind Sequenzen eines Dokumentarfilms selbst dann nach dem Urhebergesetz geschützt, wenn sie nicht als „persönliche geistige Schöpfung“ gelten, weil ihre Gestaltung nicht das erforderliche Mindestmaß an Gestaltungshöhe aufweist.
Im Ausgangsfall hatte eine Rundfunkanstalt eine Filmaufnahme aus einer Dokumentarfilmproduktion gesendet, die den Abtransport des am 17.08.1962 an der Berliner Mauer von Soldaten der Nationalen Volksarmee bei seinem Fluchtversuch tödlich angeschossenen DDR-Bürgers Peter Fechter zeigte.
Gegen diese Veröffentlichung wandte daraufhin sich die damalige Produktionsfirma, gestützt auf die ihr vom Kameramann abgetretenen exklusiven Nutzungsrechte und verlangte Unterlassung und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz.
Entscheidung des Gerichts
Sowohl das LG Berlin als auch das Kammergericht hatten zunächst einen Anspruch verneint. Die Filmsequenz erfülle nicht die Voraussetzungen eines urheberrechtlich geschützten Filmwerks. Zwar könne auch die Aufnahme eines realen Geschehens ein Werk darstellen, dazu sei aber erforderlich, dass nicht eine bloße Aneinanderreihung von Lichtbildern stattfinde, sondern dass die Auswahl, Anordnung und Sammlung des Stoffes sowie die Art der Zusammenstellung der einzelnen Bildfolgen ein Ergebnis individuellen Schaffens darstelle. Im vorliegenden Fall zeichnete der Kameramann jedoch lediglich ein zufällig vorgefundenes Geschehen auf, bei dem es ihm nicht darum gegangen sei, die gefilmten Szenen dramaturgisch oder in der Darstellung zu gestalten. Die Wirklichkeit, auf die der Kameramann keinen Einfluss gehabt habe, habe die Ablaufregie bestimmt. Zudem habe der Kameramann weder Einfluss auf die Lichtgestaltung, Bildfolge oder Kameraführung nehmen können, da dies durch die aktuellen Gegebenheiten vorgegeben war und es lediglich Ziel war, den Abtransport des Peter Fechter aufzuzeichnen. Daher wurde auch ein Schutz als Lichbildwerk verneint.
Der BGH (Urteil vom 22.01.2014, I ZR 86/12) entschied nun, dass an den Einzelbildern der streitgegenständlichen Filmaufnahme jedenfalls ein Leistungsschutz für Lichtbilder entstanden sei. Ein solcher Leistungsschutz setzt keine besondere Gestaltungshöhe voraus, sondern gewährt demjenigen, der Lichtbilder oder ähnlich wie Lichtbilder hergestellte Erzeugnisse schafft, ein Schutzrecht für diese Leistung, das bis auf wenige Punkte wie z.B. die Schutzdauer dem Urheberrecht vergleichbar ist. Von diesem Schutz ist laut BGH auch die gesamte durch sie entstehende Filmsequenz erfasst.
Obwohl der ursprüngliche Rechteinhaber über 48 Jahre hinweg trotz mehrfacher unbeanstandeter Nutzung der Aufnahmen im TV keine Ansprüche geltend gemacht hatte, seien diese nicht verwirkt. Für Unterlassungsansprüche folge dies schon daraus, dass sich aus der Verwirkung von vergangenen Ansprüchen kein Freibrief für künftige Rechtsverletzungen ergebe. Bezüglich des Anspruchs auf Feststellung zum Wertersatz käme eine Verwirkung zwar in Betracht, diese dürfe aber nicht zu einer Verkürzung der dreijährigen Verjährungsfrist führen. Von der Verwirkung seien daher nur Ansprüche umfasst die vor dem 31.12.2007 entstanden seien und deren Verjährung nicht mehr durch die Klageerhebung im Jahr 2011 gehemmt werden konnte. Den Klägern stehe daher einen Anspruch auf Schadensersatz für unberechtigte Nutzungen der Filmsequenz nach dem 01.01.2008 zu.
Fazit
Selbst wenn im Einzelfall wegen fehlender Schöpfungshöhe eine Filmsequenz weder einen Schutz als Filmwerk genießt, noch die Einzelbilder einen Schutz als Lichtbildwerk, genießen Sequenzen eines Dokumentarfilms einen Leistungsschutz als Lichtbilder, der einem urheberrechtlichen Schutz sehr nahe kommt.
Darüber hinaus darf trotz jahrelanger Duldung durch den Rechteinhaber ein Verwerter nicht darauf vertrauen, nicht mehr für künftige oder maximal drei Jahre zurückliegende Rechtsverstöße in Anspruch genommen zu werden.
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