Amazon pflegt eine zentrale Datenhaltung und stellt allen Händlern, die ein bereits angelegtes Produkt verkaufen (wollen) eine vorgefertigte Produktbeschreibung nebst Bildmaterial zur Verfügung. Das Landgericht Stuttgart hatte nun auf Veranlassung eines Fotografen zu prüfen, ob der Händler unter diesen Umständen für unautorisiertes Bildmaterial haftet, wenn dieses ohne Zustimmung des Rechteinhabers seinen Weg zu Amazon gefunden hat. Es hat diese Frage in seinem Urteil vom 25.02.2014 (Az. 17 S 4/13) teilweise bejaht.
Der von uns vertretene Fotograf hat in der Vergangenheit Produktfotos gefertigt und diese an einen Händler lizenziert. Eines dieser Bilder wurde von einem Unbekannten bei Amazon verwendet, was die (hier gegenstandslose) Rechteübertragung an Amazon zur Folge hatte. Amazon hat dieses Produktfoto fortan allen Händlern zur Verfügung gestellt, die das abgebildete Produkt angeboten haben.
Amazon selbst hat sich – nach der Entscheidung zu unrecht – auf die Position zurückgezogen, nicht selbst für das im Rahmen der Produktbeschreibungen zur Verfügung gestellte Bildmaterial zu haften. Verantwortlich sei vielmehr derjenige Händler, der das Bild erstmals eingestellt und Amazon damit ausweislich der AGB zur weiteren Nutzung zur Verfügung gestellt hat. Der betroffene Händler, dem das Produktfoto zur Verfügung gestellt wurde, hat sich mit dem Argument verteidigt, er habe die fehlende Befugnis von Amazon nicht erkennen können und sei deshalb aus dem Schneider.
Der Fotograf als Rechteinhaber hat sich schließlich entschieden, nicht Amazon, sondern den anbietenden Händler wegen der Urheberrechtsverletzung an seinem Lichtbild in Anspruch zu nehmen.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht Stuttgart ist letztlich der Auffassung des Fotografen gefolgt, nachdem das Ausgangsgericht (AG Ludwidgsburg) eine Urheberrechtsverletzung mit kaum nachvollziehbarer Argumentation noch verneint hatte.
Das Gericht stellt sich hierbei auf den Standpunkt, Täter einer Urheberrechtsverletzung sei jeder, der die tatbestandsmäßige Handlung vornehme, unabhängig davon, ob er seine fehlende Befugnis kennt. Er dürfe sich dabei nicht auf die vertraglichen Zusicherung der Rechte durch Amazon verlassen. Die Richter führten diesbezüglich aus:
„Als Täter einer Urheberrechtsverletzung haftet auch derjenige, der eine unbefugte Nutzungshandlung zwar nicht selbst vorgenommen, diese aber veranlasst hat. Dabei genügt es, dass der Täter die objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt. […] Eine solche Veranlassung ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Beklagten haben mit ihrem Verhalten wissentlich und willentlich die objektiven Tatbestandsmerkmale einer unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung des Lichtbildes erfüllt, wobei es auf die Frage ihrer Kenntnis von einer damit verbundenen Urheberrechtsverletzung als Merkmal des Verschuldens nicht ankommt. Derjenige, der bei Amazon ein Produkt zum Verkauf anbietet und sich dabei an ein bestehendes Angebot ‚anhängt‘, ist sich darüber im Klaren, dass mit Freischaltung seines Angebots die bei Amazon hinterlegte Produktbeschreibung nebst Lichtbild veröffentlicht wird. Dementsprechend haben die Beklagten mit Freischaltung ihres Angebots die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Lichtbildes über Amazon wissentlich und willentlich veranlasst, auch wenn sie das Lichtbild nicht selbst eingestellt haben.“
Verneint wurde allerdings das Verschulden als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruches. Zwar sei der Nutzer eines Lichtbildes im Rahmen der bestehenden Sorgfaltspflichten grundsätzlich auch verpflichtet, die Rechtekette zu überprüfen. Diese Prüfpflichten könnten aber einen unterschiedlichen Umfang haben – je nach dem, wie sachkundig der Nutzer ist und wie verantwortlich er für die eigentliche Verletzungshandlung zeichnet. Daraus schließt das Landgericht Stuttgart für den zu entscheidenen Fall Folgendes:
„Da die Beklagten das Lichtbild unstreitig nicht selbst eingestellt, sondern lediglich von Amazon für ihr Angebot zur Verfügung gestellt bekommen haben, kann von einem fahrlässigen Verhalten nicht ausgegangen werden. […] Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass die Sorgfaltsanforderungen bei Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials streng sind und derjenige, der solches Material verwendet, sich grundsätzlich nicht ohne weiteres auf Zusicherungen von Zwischenhändlern verlassen darf. Auch ergibt sich aus den Teilnahmebedingungen von Amazon, dass die Rechtekette an den dort eingestellten Produktbildern von Amazon nicht überprüft wird. Würde man der Klägerin aber insoweit folgen, würde dies dazu führen, dass jeder Händler, der bei Amazon Waren verkaufen will, für die es bereits eine Produktbeschreibung gibt, diese hinsichtlich aller Elemente auf die Rechtmäßigkeit überprüfen müsste. Dies würde die Sorgfaltsanforderungen an die Händler nach Auffassung der Kammer jedoch überfordern.“
Der Schadensersatzanspruch des Händlers wurde daher abgewiesen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision wurde zugelassen.
Fazit
Die Verurteilung des Amazon-Händlers wegen der Urheberrechtsverletzung ist folgerichtig und war so zu erwarten, wenngleich das Gericht noch in der mündlichen Verhandlung angedeutet hat, dass es auch zu einer abweisenden Entscheidung kommen könne. Die Entscheidung zeigt auch, dass Amazon sich der Gefährlichkeit des eigenen Handelns nicht bewusst ist (oder nicht bewusst sein will). Wenn nämlich der von Amazon bediente Händler haftet, dann Amazon selbst erst recht. Die Verneinung des Verschuldens des Händlers ist dagegen zumindest fragwürdig, weil offensichtlich vom Willen zum Schutz eines Geschäftsmodells getragen. Würde Amazon und seine Händler auch noch auf Schadenersatz haften, wäre dies wohl das endgültige Aus der zentralen Datenhaltung. Meines Erachtens gilt auch hier: wer die Rechtekette nicht überprüfen kann und – wie bei Bildmaterial von Amazon stets der Fall – Anlass hat, an der Berechtigung des Lizenzgebers (Amazon) zu zweifeln, muss eben auf das Angebot verzichten.
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