Der BGH hat mit der Grundsatzentscheidung „Geburtstagszug“ die Unterschiede bei der Bewertung der urheberrechtlichen Werksfähigkeit angewandter und zweckfreier Kunst aufgehoben. Künftig sind auch Werke der angewandten Kunst, also z.B. das Design von Produkten des täglichen Lebens sowie alle graphischen Leistungen von Werbeagenturen, schon bei geringer Schöpfungshöhe nach der sog. „kleinen Münze“ als urheberrechtliche Werke zu qualifizieren.
Im vorliegenden Fall hatte die Produktdesignerin eines Kinderspielzeuges für das Design von einem Spielwarenhersteller DM 400,00 erhalten. Dies war zwischen den Parteien auch vertraglich vereinbart worden. Der Zug aus Holz, auf dem Kerzen aufgebracht werden können (Geburtstagszug), wurde zum Verkaufsschlager, so dass die Produktdesignerin den Spielwarenhersteller viele Jahre später auf Zahlung einer angemessenen Vergütung in Anspruch nahm.
Der Spielwarenhersteller wehrte sich gegen diesen urheberrechtlichen Anspruch mit dem Argument, dass nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung Gebrauchskunst nur als urheberrechtliche Werke zu qualifizieren sind, wenn diese in hohem Maße die übliche Durchschnittsgestaltung überragen. Dies wurde in der Vergangenheit von den Gerichten nur selten (z.B. bei Möbel Design Klassikern) angenommen, so dass die Vorinstanzen die Ansprüche der Produktdesignerin auf angemessene Vergütung schon mangels des Vorliegens eines urheberrechtlichen Werkes ablehnten.
Entscheidung des Gerichts
Mit Urteil vom 13. November 2013 –Az. I ZR 143/12 (Pressemitteilung) entschied der Bundesgerichtshof, dass an den Urheberrechtschutz von Werken der angewandten Kunst grundsätzlich keine höheren Anforderungen zu stellen seien als an den von Werken der zweckfreien Kunst.
In seiner früheren Rechtsprechung hatte der Bundesgerichtshof die höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe von Werken der angewandten Kunst, die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, damit begründet, dass für solche Werke der angewandten Kunst mit dem Geschmacksmusterrecht ein dem Urheberrecht wesensgleiches Schutzrecht zur Verfügung stehe. Da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung abheben müsse, sei für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, das heißt ein deutliches überragen der Durchschnittsgestaltung zu fordern.
An dieser Rechtsprechung könne der BGH im Blick auf die Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahr 2004 nicht festgehalten. Durch diese Reform sei mit dem Geschmacksmusterrecht ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht geschaffen und der enge Bezug zum Urheberrecht beseitigt worden. Insbesondere setze der Schutz als Geschmacksmuster, welcher neben dem Urheberrecht bestehen könne, nicht mehr eine bestimmte Gestaltungshöhe, sondern die Unterschiedlichkeit des Musters voraus.
An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst seien daher grundsätzlich keine andere Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genüge daher, dass die Gebrauchskunst eine Gestaltungshöhe erreichte, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen.
Fazit
Die bisher vom BGH veröffentlichte Pressemitteilung lässt einige Fragen offen, so dass die Urteilsbegründung zur abschließenden Bewertung dieses Urteils abgewartet werden muss.
Nach unserer vorläufigen Einschätzung wird nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes ein Großteil der designten Produkte und graphischen Leistungen nach dem Bewertungsgrundsatz der „kleinen Münze“ als urheberrechtliche Werke zu beurteilen sein, soweit es „nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise gerechtfertigt ist, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen“. Möglicherweise werden die Gerichte über dieses Kriterium in der Zukunft eine gewisse Korrektur dieser neuen Rechtsprechung des BGH für die Urheberfähigkeit von angewandter Kunst vornehmen.