Wer sich als Händler mit PayPal einlässt, kann etwas erleben – vor allem dann, wenn er sich auf PayPal als primären Dienstleister für den Internet-Zahlungsverkehr verlässt. Wie bei vielen anderen PayPal-Kunden wurde das Konto unseres Mandanten von heute auf morgen mit einer Beschränkung belegt bzw. eingefroren und jede Verfügung über das Guthaben unmöglich gemacht. Mit einer in Deutschland angestrengten Klage konnte das Guthaben wieder befreit werden – (leider) ohne dass eine Entscheidung ergangen ist. Diese hat PayPal nicht ungeschickt verhindert.
Es beginnt in der Regel mit der folgenden, völlig nichtssagenden Nachricht von PayPal:
„Damit die Sicherheit im PayPal-Netzwerk gewährleistet ist, führen wir häufig Kontenprüfungen hinsichtlich potenzieller Risiken durch. Nach der Überprüfung Ihres Kontos haben wir uns entschieden, es aufgrund von Sicherheitsproblemen zu schließen.“
Ist ja nett, könnte man denken. Es wird alles getan, um den Kunden vor Missbrauch zu schützen. Eine sofortige Rückfrage bei PayPal hat dann ergeben, dass man mit Hochdruck an der Beseitigung des Problems arbeite. Eine nähere Erläuterung gab es freilich nicht. Tagelang war nur noch der Empfang von Zahlungen und die Rückzahlung an Kunden möglich, aber keine Verfügung über das Guthaben. Der offiziell eingelegte Widerspruch wurde mit ähnlich nebulösen Ausführungen zurückgewiesen – die angeblichen Sicherheitsrisiken würden nach wie vor bestehen, eine Verfügung über das Guthaben sei frühestens in 180 Tagen wieder möglich (vielleicht). Das ist fast ein halbes Jahr und für manchen Händler, der auf sein PayPal-Konto angewiesen ist, der finanzielle Ruin.
Schließlich wurde offenbar, dass es nicht um den Schutz des Kunden, sondern um den Schutz von PayPal geht. Unser Mandant sollte zur Lösung des Problems sämtliche Geschäftsunterlagen wie BWAs, Steuerunterlagen, Rechnungen von Lieferanten etc. vorlegen, detaillierte Angaben zu den vertriebenen Produkten und den Kunden machen sowie umfassende Versandnachweise liefern. Ferner sei eine Kontaktaufnahme mit der zuständigen Creditreform-Stelle zur Klärung des Problems erforderlich. Was das alles mit der Geschäftsbeziehung zu einer Bank zu tun hat, ist ebenso fraglich wie der Zweck der Übung insgesamt. Klar ist nur, dass PayPal auf diese Weise Risiken aus seinem Käuferschutzprogramm zu Lasten der Händler absichert. Wenn ein Händler aus Sicht von PayPal zu viele Käuferbeschwerden zu verzeichnen hat, aus denen Rückzahlungsverpflichtungen für PayPal resultieren können, wird kurzerhand das Konto gesperrt – ohne Rücksprache und ohne jeden Klärungsversuch. Hier waren es nicht einmal 10 Beschwerden bei mehreren hundert Transaktionen, von denen sich die meisten zerschlagen haben, weil es lediglich zu kurzfristigen Lieferverzögerungen kam. Die Verfügungsbeschränkung wurde gleichwohl aufrecht erhalten. Dabei kann man sich zu recht fragen, was den Händler als Bankkunden die sonstigen Produkte (Käuferschutzprogramm) seiner Bank angehen und warum er das damit verbundene Risiko tragen soll.
Der Mandant war über den Vorgang nicht nur erbost, sondern von diesem auch massiv wirtschaftlich gefährdet. Auf dem PayPal-Konto befand sich ein Guthaben im hohen 5-stelligen Bereich, das er dringend zum Warenerwerb und damit zur Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebes benötigt hätte. Aus diesen Gründen war er fest entschlossen, PayPal zu verklagen.
Gesagt, getan. Zu klären ist allerdings vorab, wo und auf welcher Grundlage dies geschehen kann. Naheliegend ist dabei eine Klage auf Auszahlung des eingefrorenen Guthabens in Gestalt einer Leistungsklage. Problematisch hieran ist, dass PayPal seinen Sitz in Luxemburg hat und die Klage daher auch dort angestrengt werden muss. Das kann dauern (definitiv länger als 180 Tage) und kosten (definitiv mehr als ein Verfahren in Deutschland). Wir haben uns schließlich entschieden, PayPal in Deutschland auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen und haben damit offensichtlich einen Nerv getroffen. Grundlage war ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 I (eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb), 1004 BGB. Die Betriebsbezogenheit des Eingriffs kann man meines Erachtens vertreten.
Auf die Abmahnung mit einwöchiger Frist und der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung ist noch nichts geschehen. Da könnte ja jeder kommen. Auch auf die unmittelbar nach Fristablauf beim Landgericht Stuttgart eingereichte und kurzfristig in Luxemburg zugestelle Klage wurde zunächst hartnäckig erwidert. Parallel kam es jedoch zu einer ersten Überraschung: völlig unerwartet teilte PayPal nach „nur“ 90 Tagen mit, dass die Sicherheitsprobleme beseitigt seien und über das Guthaben wieder verfügt werden könne. Natürlich habe das alles mit der Klage nichts zu tun. Aha.
Jedenfalls hat das Landgericht Stuttgart alsbald Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, wobei man sich in einer solchen Konstellation fragen kann, was der (trotzdem noch bestehende) Unterlassungsanspruch nach Freigabe des Guthabens und Kündigung des Kontos noch bringt. Es ging also um Kosten und die Erkenntnis, was das Gericht zu der nicht ganz risikofreien Klage sagt. Die Ausführungen des Gerichts waren leider enttäuschend allgemein gehalten. Irgendwie sei das nicht in Ordnung, irgendwie auch unser Mandant zur Mitwirkung verpflichtet gewesen (?). Irgendwie mache das alles nach der Aufhebung der Verfügungsbeschränkung auch keinen Sinn mehr.
Der Mandant war zu diesem Zeitpunkt noch entschlossen, die Sache auf die Spitze zu treiben und es auf ein Urteil ankommen zu lassen. PayPal war allerdings bemüht, auch das kleinste Risiko auszuschließen und es unter keinen Umständen zu einem Urteil kommen zu lassen. Jedenfalls ist es kaum anders zu erklären, dass ohne weiteres angeboten wurde, im Falle der Erledigung des Verfahrens sämtliche (!) Kosten zu erstatten. Äußerst schwierig in dieser Situation, dem Mandanten noch zu einer Fortsetzung zu raten. So kam es also zu einem Vergleich, der die Erledigung der Sache bei Kostentragung durch PayPal vorsah. Der ohne Kostenfestsetzungverfahren bezifferte Betrag wurde auch umgehend überwiesen.
Im Ergebnis also alles erreicht und nach wie vor alles unklar. Aber PayPal weiß jetzt, dass man sich mit einem derart fragwürdigen Verhalten nicht in Luxemburg verstecken kann. Und wir wissen jetzt, dass PayPal ein deutsches Unterlassungsurteil fürchtet wie nichts sonst. Warum nur?
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