LG Stuttgart:

Kein Schadensersatz wegen Filesharing mangels Beweis für Rechtsverletzung

Im Juni 2011 befasste sich das Landgericht Stuttgart im Verfahren 17 O 39/11 mit der Frage, ob in den Fällen vermeintlicher Urheberrechtsverletzung infolge der unerlaubten Nutzung von Filesharing-Software Aufwendungsersatz- bzw. Schadensersatzansprüche bestehen. In dem hier gegenständlichen Fall wurde die Klage mit Urteil vom 28.06.2011 in vollem Umfang abgewiesen. Die daraufhin vor dem OLG Stuttgart eingelegte Berufung wurde schließlich wieder zurückgenommen.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war Inhaberin der ausschließlichen Online-Verwertungsrechte an den Musiktiteln, die Gegenstand der vermeintlichen Urheberrechtsverletzung waren. In deren Auftrag ermittelte ein Dienstleister, dass im Jahr 2006 unter einer bestimmten IP-Adresse insgesamt 253 Audiodateien unter Nutzung einer Filesharing – Software im Internet verfügbar gemacht wurden. Auf Antrag der Klägerin ermittelte schließlich die Staatsanwaltschaft, dass in dem fraglichen Zeitraum die festgestellte IP-Adresse den Beklagten zugeordnet war. Im Rahmen der polizeilichen Überprüfung wurde festgestellt, dass sich in der Wohnung lediglich ein PC befand, welcher mit Einverständnis der Beklagten untersucht wurde mit dem Ergebnis, dass darauf gerade keine Filesharing-Software installiert war. Auch die streitgegenständlichen Titel wurden bei den Beklagten nicht vorgefunden. Wer die Audiodateien zum Download zur Verfügung gestellt hat, konnte nicht ermittelt werden.

Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen forderte die Klägerin die Beklagten auf, eine strafbewehrte Untererlassungserklärung abzugeben und einen Vergleichsbetrag in Höhe von 3500 € zu bezahlen. Die Beklagten gaben daraufhin zwar rein vorsorglich eine Unterlassungserklärung ab, weigerten sich aber, die Vergleichssumme zu bezahlen, weshalb die Klägerin schließlich die Schadensersatz- und Ausgleichsansprüche klageweise geltend machte. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass die Beklagten als Täter bzw. als Störer für die Urheberrechtsverletzungen haften. Der beanspruchte Betrag der Klägerin setzte sich aus dem nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechneten Schadensersatz (300 € pro Titel) sowie den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 200.000 € (= 2.380,80 €) zusammen.

Die Entscheidung des Gerichts

Gines Romero / Shutterstock.com
Gines Romero / Shutterstock.com

Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, es stünde nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagten die Urheberrechtsverletzung begangen haben. Es komme weder eine Haftung als Täter noch als Störer in Betracht. Zwar stelle die Tatsache, dass die IP-Adresse im fraglichen Zeitraum den Beklagten zugeteilt war, eine tatsächliche Vermutung dafür dar, dass sie auch für die Rechtsverletzung verantwortlich sind. Die Beklagten seien jedoch ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem sie geltend gemacht haben, dass sie mit den Rechtsverletzungen nichts zu tun haben, insbesondere auf ihrem PC gerade keine Filesharing-Software installiert war und sich auch die beanstandeten Audiodateien nicht auf ihrem Rechner befunden haben. Im Übrigen sei auch der  WLAN-Router ausreichend gesichert gewesen. Sämtliche Behauptungen der Beklagten seien darüber hinaus durch das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen bestätigt worden.

Mit Blick auf mögliche Beweisschwierigkeiten führte das Gericht wie folgt aus:

„Generell entstehen einer Partei erhebliche Beweisprobleme, wenn sie Umstände beweisen muss, die zu dem ihren Blicken entzogenen Bereich des Prozessgegners gehören. Gleichwohl verbietet sich eine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei, da generell keine Partei verpflichtet ist, dem Gegner die für den Prozesssieg benötigten Informationen zu verschaffen. Mehr als eine Modifizierung der Darlegungslast – wie sie der BGH für den Anschlussinhaber vorsieht – verbietet sich, da andernfalls der Grundrechtsschutz des Prozessgegners über Gebühr beeinträchtigt wird.“

Das Gericht wies weiter darauf hin, dass die infolge der Zuordnung der IP-Adresse indizierte Vermutung für die Richtigkeit der Behauptungen der Klägerin durch das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen widerlegt worden sei. Im Übrigen ließe sich der Beweis für die Begehung der Rechtsverletzung durch die Beklagten weder durch die Vernehmung der seinerzeit mit der Ermittlung befassten Zeugen noch durch ein Sachverständigengutachten hinsichtlich der Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses der IP-Adresse erbringen.

Fazit

Im Ergebnis kam den Beklagten in diesem Fall das Ergebnis der polizeilichen Untersuchung zugute. Diese Entscheidung ist aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt durchaus zu begrüßen. Sie stellt nämlich klar, dass in vergleichbaren Fällen gerade nicht von einer Beweislastumkehr, sondern lediglich von einer Modifizierung der Darlegungslast des Anschlussinhaber auszugehen ist.

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Dr. Markus Wekwerth

Rechtsanwalt
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
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