LG Stuttgart:

Kostenerstattung bei unberechtigter Abmahnung wegen Produktnachahmung

Wir haben vor einigen Tagen von einem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.06.2011 berichtet (17 O 699/10). Gegenstand des Verfahrens war der gegen unsere Mandantin gerichtete Vorwurf einer Produktnachahmung gem. § 4 Nr. 9 UWG wegen Herkunftstäuschung und Rufausbeutung, den das Gericht letztlich als unberechtigt zurückgewiesen hat. Vorausgegangen ist dem Verfahren eine Abmahnung, die nach entsprechender Zurückweisung nicht weiter verfolgt wurde. Insbesondere wurde kein Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gestellt. Da sich diese Abmahnung im nachhinein als unberechtigt erwiesen hat, musste das Gericht über die durch die Verteidigung gegen die Abmahnung entstandenen Kosten befinden.

Geltend gemacht wurden auf Seiten des Abgemahnten die Anwaltskosten für die Verteidigung gegen die Abmahnung einschließlich der durch die Hinterlegung einer Schutzschrift bei allen deutschen Landgerichten entstandenen Kosten. Obwohl es nicht zu einem Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung kam, hat das Gericht sämtliche Verteidigungskosten zugesprochen und dazu Folgendes ausgeführt:

„Die Klägerin kann von der Beklagten die Erstattung der für die Abwehr  der unberechtigten Abmahnung aufgewendeten Kosten nach §§ 823 Abs. 1,  678 BGB, 9 S. 1 UWG verlangen. Im Rahmen der Abwehr der unberechtigten  Abmahnung sind sowohl die vorgerichtlichen Kosten für das  Abwehrschreiben als auch die Schutzschriftkosten der Klägerin  erstattungsfähig, da sie mit der Beantragung einer einstweiligen  Verfügung durch die Beklagte rechnen musste. Die angesetzten  Gebührensätze des Prozessbevollmächtigten der Klägerin von 1,5 für das  Abwehrschreiben und von 1,3 für die Schutzschrift sind angesichts der  Komplexität des Falles und wegen der technischen Fragen angemessen. Der  zu Grunde gelegte Gegenstandswert von EUR 200.000,00 entspricht dem für  den Rechtsstreit zutreffenden Streitwert.“

Hierfür hat das Gericht auf die Grundsätze der Kostenerstattung bei einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung zurückgegriffen, die im Falle des unberechtigten Vorwurfs einer Produktnachahmung aufgrund der vergleichbaren Interessenlage jedenfalls bei der Herkunftstäuschung und der Rufausbeutung Anwendung finden sollen.

Die Entscheidung ist zu begrüßen, geht aber noch nicht weit genug. Es ist kaum einzusehen, warum eine unberechtigte Abmahnung im (sonstigen) Wettbewerbsrecht keine negativen Folgen für den Abmahnenden haben soll. Zumindest dann, wenn dieser bei gehöriger Sorgfalt die fehlende Berechtigung der Abmahnung erkennen konnte, liegt meines Erachtens immer ein Übernahmeverschulden vor, das gem. § 678 BGB zur Erstattung des durch die Abmahnung entstandenen Schadens verpflichtet. Hierzu gehören (Waffengleichheit!) auch die Kosten für ein anwaltliches Abwehrschreiben und ggf. die Hinterlegung einer Schutzschrift.

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Dr. Markus Wekwerth

Rechtsanwalt
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
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