Elektronische Akte und iPad in der Anwaltspraxis

Vor ungefähr einem Jahr hat es in bzw. über unseren Kanzleiräumen gebrannt (meine frühere Kanzlei). Wir hatten einen gewaltigen Wasserschaden zu beklagen und konnten unsere Akten sowie die EDV nur mit Müh und Not in Sicherheit bringen. Dieser Tag war für mich der Startschuss in ein bedingungsloses digitales Anwaltsdasein. Das Resümee fällt fast durchweg positiv aus.Nie war das Aktenmanagement so leicht wie mit papierlosen Akten, die Arbeit nie so effektiv. Die nachfolgenden Ausführungen sollen geneigten Anwaltskollegen dazu dienen, den letzten Schritt zu wagen und den bereits (teilweise) papierlos arbeitenden Kollegen Anregung für Verbesserungen sein oder Verbesserungsvorschläge zu geben.

Technische Infrastruktur

Da bislang keine Anwaltssoftware über eine Dokumentenverwaltung verfügt, die diesen Namen verdient, haben wir die reine Papierakte durch ein elektronisches Pendant ersetzt, wofür derzeit ELO Office der ELO Digital Office GmbH zum Einsatz kommt. Zwar existieren für die juristische Arbeit längst bessere bzw. spezifischere Programme (z.B. Lexolution der STP AG). In der Kürze der Zeit war ELO jedoch – auch aufgrund der überschaubaren Anschaffungskosten – das Mittel der Wahl. Die Software läuft neben der Anwaltssoftware auf einem Windows-Server, der extern in einem Rechenzentrum beheimatet ist. Der Zugriff auf den jeweiligen Arbeitsplatz erfolgt über eine Terminalserver-Sitzung, die völlig ortsunabhängig ist. Der Zugriff auf die Anwaltsakten – alle, auch archivierte – ist somit von jedem Ort der Welt mit jedem beliebigen Gerät möglich. Auch der Einsatz von iMacs ist dabei kein Problem.

Arbeitsablauf

ELO Office ermöglicht – wie jede andere gute Dokumentenverwaltung – eine Ablage von Dokumenten in einer beliebig gestaltbaren Ordnerhierarchie, die auf Archiven, Schränken und Ordnern basiert. Hier werden sämtliche aktenbezogenen Dokumente, die sonst in der Papierakte landen würden, auf den elektronischen Schreibtisch gescannt oder kopiert, verschlagwortet und abgelegt. Die Verschlagwortung bringt zunächst einen Mehraufwand gegenüber der Papierakte, in die ein- und ausgehende sowie interne Dokumente einfach chronologisch eingeheftet werden. Dieser vermeintliche Nachteil wird durch die jederzeitige Wiederauffindbarkeit von Dokumenten und die Möglichkeit, mehrere Dutzend Dokumente und E-Mails in wenigen Minuten den zugehörigen Akten zuzuordnen, weit mehr als aufgewogen. Vor allem E-Mails sind in Papierform eine Plage, wenn man Wert auf vollständige Akten legt. Diese Last war von einem Tag auf den anderen beseitigt.

Wichtigster Platz im Rahmen der digitalen Aktenbearbeitung ist – wie im Papierleben – der elektronische Schreibtisch. Hier werden sämtliche eingehenden Dokumente automatisch vom Scanner abgelegt und ausgehende Dokumente zwischengespeichert. Der Anwalt hat somit stets alles im Blick und kann den gesamten Posteingang eines Tages in wenigen Minuten durchsehen, verschlagworten, verfügen und ablegen. Zu unterschreibende Papierdokumente in der Unterschriftenmappe finden sich zugleich auch auf dem elektronischen Schreibtisch und können nach Unterzeichnung direkt in die zugehörige Akte abgelegt und bei Bedarf mit einem Klick per E-Mail an den Mandanten weitergeleitet werden.

Selbstredend wurden parallel auch die Diktiergeräte und Kassetten ersatzlos (!) abgeschafft. Als Diktiergerät dient seitdem das iPad oder iPhone mit der App „Dictamus“. Hier lassen sich nicht nur eine beliebige Anzahl von Diktaten verwalten, speichern und bei Bedarf fortsetzen. Diese können nach Fertigstellung auch direkt per E-Mail oder Upload in das Sekretariat übertragen werden – natürlich wieder von jedem beliebigen Ort auf dieser Welt. In meinem Fall exisitieren zum Beispiel immer zwei Diktatdateien namens „Rechnungen“ und „Verschiedenes“, die laufend fortgesetzt und einmal wöchentlich bzw. einmal täglich an das Sekretariat geleitet werden.

Vor- und Nachteile der elektronischen Aktenführung

Echte Nachteile der elektronischen Aktenführung existieren meines Erachtens nicht – jedenfalls keine solchen, die nicht durch gewaltige Vorteile aufgewogen würden. Echten Mehraufwand bringt zunächst die Verschlagwortung der neuen Dokumente, um deren Wiederauffindbarkeit und korrekte Ablage zu gewährleisten. Wie auch die Papieraktenführung ist dies (leider) Anwaltsarbeit, da sich der Anwalt später auch in der Akte wieder zurechtfinden muss. Die Möglichkeiten der Stapelverarbeitung lindern dieses Übel jedoch entscheidend. Das gilt insbesondere für E-Mail-Korrespondenz (welche in meinem Fall rund 80% des Gesamtaufkommens ausmacht), die sonst mühsam ausgedruckt und den jeweiligen Akten zugeordnet werden muss. Nicht verheimlicht werden darf natürlich die Tatsache, dass man sich mit dem exzessiven Einsatz von EDV z.T. aufwändige Fragen der Datensicherheit und -sicherung ins Haus holt. Dies sind Gesichtspunkte, die geklärt werden und effektiv umgesetzt werden müssen. Ein weiteres – aber letztes – Problem liegt in der Mobilität der Akte (hierzu im Anschluss – „Der Gang zum Gericht“).

Die Vorteile der eAkte sind im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar. Sämtliche Akten sind jederzeit und vollständig verfügbar, über die Volltextrecherche in Sekundenschnelle zugänglich und die Akten und Dokumente beliebig referenzierbar. Auf einmal vorhandenes Wissen kann innerhalb sehr kurzer Zeit zurückgegriffen und dieses in ähnlichen Fällen recycelt werden. Alle Dokumente können beliebig vervielfältigt, zerlegt, umsortiert und neu abgelegt werden. Natürlich ist auch die Bearbeitung und Kommentierung von Dokumenten, die Anbringung von Notizen (PostIts), die Definition von Aufgaben und die Ablage auf dem Schreibtisch des Kollegen zur weiteren Bearbeitung problemlos möglich. Unter dem Strich lässt sich so erheblich Zeit einsparen, was den Mandanten und dem Anwalt gleichermaßen nützt.

Der Gang zum Gericht

Hier wird es (noch) spannend. Weil die elektronischen Akten sämtlich in einem Rechenzentrum beheimatet sind, ist der elektronische Anwalt für eine sinnvolle Nutzung der Akte auf eine hinreichend schnelle Internetverbindung angewiesen. Der Zugriff auf den Aktenserver erfolgt in meinem Fall ausschließlich über ein iPad, das aber auch durch ein Notebook ersetzt werden könnte (aber nicht sollte). Ein Export der Akten ist bei der derzeitigen Infrastruktur zwar möglich, allerdings nur in Form eines oder mehrerer PDF-Dokumente, weil ELO Office derzeit noch über keine App verfügt, die einen Export ganzer Archive, Aktenschränke oder Ordner auf das lokale System ermöglicht. Die Vorteile der Dokumentenverwaltung gehen hierdurch leider verloren. Anders ist das nur auf einem Notebook  – aber welcher Anwalt arbeitet heute noch mit einem aufklappbaren, über 1 Kilo schweren, 2,5 cm dicken und brummenden Koloss, dessen Bildschirm eine nur schwer überbrückbare Barriere zwischen Anwalt und Gericht aufbaut? Das iPad (oder vergleichbare Geräte, sollte es solche in ferner Zukunft einmal geben) bringt demgegenüber lediglich den Nachteil, dass mit ihm kaum produktiv in der Akte gearbeitet werden kann – es ist und bleibt ein Lesegerät. Auch ich habe daher immer einen Kugelschreiber und ein Blatt Papier für die wichtigsten Notizen dabei (das später natürlich eingescannt und vernichtet wird).

Fazit

Insgesamt kann man die Umstellung auf elektronische Akten befürworten. Allerdings sollte dies bedingungslos geschehen, um doppelten Arbeitsaufwand und Medienbrüche zu vermeiden. Unzulänglichkeiten bestehen – jedenfalls bei der von mir gewählten Lösung mit ELO – darin, dass die Mobilität von einer funktionierenden und nach Möglichkeit auch schnellen Internetverbindung abhängt. Da sind meines Erachtens die Softwarehersteller gefragt. Denkbar wäre z.B. ein vollwertige App für mobile Endgeräte, die einen Export von einzelnen Akten erlaubt.

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Dr. Markus Wekwerth

Rechtsanwalt
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
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