Es zeichnet sich derzeit ab, dass das Umfeld für Abmahnungen wegen Filesharing / Urheberrechtsverletzungen schwieriger wird. Die Abmahner kämpfen mit Beweisschwierigkeiten, der Beschränkung der Erstattung von Abmahnkosten auf € 100,00, widerspenstigen Anschlussinhabern und fehlender Akzeptanz in Bevölkerung und Medien.
Mehr und mehr wird offenbar, dass die Durchsetzung der behaupteten Ansprüche – vor allem auf Unterlassung und Kostenerstattung – zunehmend mit Problemen behaftet ist. Fast täglich werden Urteile bekannt, dass große Vorhaben kläglich gescheitert sind. Dem entsprechen meine persönlichen Erlebnisse in einem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg (Urteil vom 11.08.2010, Az. 308 O 171/10), welches letztlich zugunsten des Anschlussinhabers ausgegangen ist. Der Weg dahin war allerdings steinig.
Zugrundeliegender Sachverhalt
Die Mandantin wurde als Anschlussinhaberin wegen angeblicher Verbreitung eines mindestens fragwürdigen Filmwerks im Wege der üblichen Abmahnung auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Kostenerstattung in Anspruch genommen (Rechtsanwälte Schulenberg & Schenk, Hamburg / John Thompson Productions e.K.). Auf Rat von zahlreichen Freunden und Bekannten, man solle solche Sachen einfach liegen lassen, hat die Mandantin weder auf die Abmahnung noch auf das nachfolgende Aufforderungsschreiben reagiert – ein Fehler wie sich später herausgestellt hat. Der (vermeintliche) Rechteinhaber hat nämlich daraufhin beim Landgericht Hamburg den Erlass einer Einstweiligen Verfügung beantragt und diese auch ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin erhalten. Der Schock war aus nachvollziehbaren Gründen groß als der Gerichtsvollzieher mit dem Papierstapel vor der Tür gestanden ist, zumal die Vorwürfe noch immer nicht nachvollziehbar waren. Darin stand von offizieller Seite geschrieben, dass sie es ab sofort zu unterlassen hat, Filme des Antragstellers im Internet bzw. über Tauschbörsen zu verbreiten.
Auf in die Schlacht
In diesem Stadium wurden schließlich wir mit der Prüfung der Angelegenheit beauftragt. Gemeinsam sind wir zu der Entscheidung gelangt, dass gegen die Beschlussverfügung des LG Hamburg vorgegangen, also Widerspruch eingelegt werden soll. Zugegeben ein gewagtes Unterfangen, da im Eilverfahren mehr als sonst davon abhängt, was der Richter glaubt bzw. nicht glaubt. Jedenfalls wurden daraufhin über Wochen sämtliche Fakten zusammengetragen, Familienmitglieder befragt, Computer und die sonstige technische Infrastruktur begutachtet und der Techniker einbestellt, der das WLAN ursprünglich eingerichtet hat. Die gesammelten Tatsachen wurden schließlich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ungeschönt vorgetragen und – wie im Eilverfahren üblich – durch entsprechende eidesstattliche Versicherungen der beteiligten Personen belegt. Man muss als Inhaber eines Telefonanschlusses schließlich seiner sekundären Darlegungslast nachkommen.
Im Grunde muss man sagen, dass der Antragsteller daraufhin sprichwörtlich gegen die Wand gefahren ist, was zu Beginn der mündlichen Verhandlung noch nicht ganz absehbar war. Vorgehalten wurde der Antragsgegnerin nämlich zunächst, „fast zu perfekt“ vorgetragen zu haben. Eigentlich Grund genug, um zu verzweifeln: Oft genug darf sich der Antragsgegner bzw. dessen Rechtsanwalt anhören, sein umfangreicher Vortrag reiche nicht aus, um die Vorwürfe zu entkräften. Reicht er einmal aus, ist er zu perfekt, um wahr zu sein, also mutmaßlich „geschönt“. Da stellt sich natürlich schon die Frage, wie man das einem Laien begreiflich machen soll – vor allem wenn er sich keiner Schuld bewusst ist.
Glücklicherweise lag die Betonung allerdings auf „fast“. Die versammelten Richter waren sich nämlich einig, dass sie insgesamt keine Veranlassung haben, an der Wahrhaftigkeit der Ausführungen der Antragsgegnerin zu zweifeln. Ergebnis: Die in dem Antrag auf Erlass der Einstweiligen Verfügung vorgetragenen Tatsachen seien nicht überwiegend glaubhaft, weshalb diese im Wege eines Urteils aufgehoben werde. Auf den Einwand der Antragstellervertreterin, die gegenseitigen innerfamiliären Bestätigungen wären ja nur wenig bis überhaupt nicht glaubhaft, fiel lediglich der hochinteressante Satz „Das machen Sie doch auch nicht anders“. Waffengleichheit in Hamburg also. Die Antragsgegnerin wurde sodann im schriftlichen Urteil vom Vorwurf der Täter- und Störerhaftung freigesprochen und die Einstweilige Verfügung aufgehoben. Berufung hat der Antragsteller übrigens nicht eingelegt, sodass das Urteil zwischenzeitlich rechtskräftig ist.
Vor diesem Hintergrund ist mir die immer noch gebräuchliche Drohung, man werde die behaupteten Ansprüche nunmehr in Hamburg (!) einklagen, nicht recht verständlich. Ich fahre gerne wieder dort hin, um den Rechtsstaat live zu erleben.
Artikel als PDF speichern