Das Oberlandesgericht Hamm hatte die Frage zu entscheiden, ob der Unterlassungsgläubiger vom abgemahnten Unterlassungsschuldner im Rahmen der strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangen kann, dass dieser neben den üblicherweise geforderten verschuldeten Verstößen auch verlangen kann, dass der Unterlassungsgläubiger für nicht schuldhafte Zuwiderhandlungen haftet.
Die Firmen A und B sind direkte Konkurrenten im Vertrieb von Nass- und Trockensaugern im Internet. Wegen verschiedener Wettbewerbsverstöße bei der Umsetzung der Informationspflichten und Widerrufsbelehrung auf der Homepage des Wettbewerbers, mahnte die Firma A die Firma B zunächst erfolglos ab. Sie formulierte als Anlage zur Abmahnung eine Unterlassungserklärung vor, in der es heißt:
“Die Schuldnerin verpflichtet sich, es bei Meidung einer Vertragsstrafe von 5.100 Euro für jeden Fall auch nicht schuldhafter Zuwiderhandlung zu unterlassen …”
Die Firma B hielt die gesamte Abmahnung der Gegenseite für rechtsmissbräuchlich und gab keine Unterlassungserklärung ab. Sie machte geltend, dass der Prozessbevollmächtigte der Firma A geschäftsmäßig abmahne. Die von ihm vertretenen Mandanten verlangten mit der Abmahnung stets Unterlassungserklärungen mit einer Vertragsstrafe von 5.100,– €, obwohl die gerügten Wettbewerbsverstöße in der Regel und auch im hier vorliegenden Fall allenfalls geringe Auswirkungen für den Abmahnenden hätten. Außerdem sei dann die Vertragsstrafe wie auch im vorliegenden Fall für jeden nicht schuldhaften Verstoß vorgesehen. Das sei systemwidrig und mache deutlich, dass die Abmahnungen lediglich der Generierung von Kosten und Gebühren dienten. Dem trat die Firma A naturgemäß entschieden entgegen.
Entscheidung des Gerichts
Das Oberlandesgericht Hamm entschied in seinem Urteil vom 29.06.2010 – Az. I-4 U 24/10 zugunsten des Abgemahnten und befand die Abmahnung für rechtsmissbräuchlich.
Die ausdrückliche Erstreckung des Vertragsstrafeversprechens auch auf nicht verschuldete Verstöße zeige, dass es der Firma A in erster Linie um die Generierung von Gebühren bzw. Vertragsstrafen gehe. Zudem sei die Klausel für den Abgemahnten überraschend und leicht zu übersehen. Auch sei die Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 EUR für die Art der abgemahnten Wettbewerbsverstöße (Informationspflichten, Widerrufsbelehrung) sehr hoch angesetzt.
Insgesamt habe das Gericht den Eindruck gewonnen, dass die Wahrung des lauteren Wettbewerbs nicht das vorrangige Interesse der Antragstellerin gewesen sei.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Hamm markiert ein weiteres Urteil zur Rechtsmissbräuchlichkeit von Abmahnungen. Sobald eine Abmahnung für das Gericht erkennbar lediglich dem Gelderzielungsinteresse des Abmahners dient, besteht die Möglichkeit diese mit dem Argument des Missbrauchs abzuwehren.
Auch bei Abmahnungen im urheberrechtlichen Bereich wie z.B. beim Filesharing, wäre eine Erstreckung des Vertragsstrafeversprechens auch auf nicht verschuldete Verstöße möglicherweise rechtsmissbräuchlich. Das ist aber wie immer im Einzelfall zu prüfen.
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